# taz.de -- Kommentar zum SPD-Parteitag: Schluss mit der Bastakultur
> Die Zeit der Honecker-haften Ergebnisse für Parteichefs ist vorbei. Von
> der neuen innerparteilichen Demokratie könnte die SPD profitieren.
IMG Bild: Matthias Platzeck wurde 2005 mit über 99 Prozent gewählt. Seinen Posten behielt er nicht lange.
Peer Steinbrück wurde von 93 Prozent der SPD-Delegierten zum
Kanzlerkandidaten gewählt, Frank-Walter Steinmeier von 95 Prozent. Franz
Müntefering erhielt 2008 85 Prozent bei seiner Wahl zum SPD-Chef – und das
kurz nach dem internen Putsch gegen seinen Vorgänger Kurt Beck. Die
anschließenden desaströsen Ergebnisse bei den Bundestagswahlen 2009 und
2013 sind bekannt.
Die SPD sollte die 74,3 Prozent für Sigmar Gabriel daher als gutes Zeichen
sehen. Dafür, dass sie sich – nach den inhaltlichen Korrekturen der Agenda
2010 – nun auch auf dem Weg zurück in eine innerparteiliche Demokratie
befindet. Dafür, dass sie nicht mehr dazu drängen lässt, Honecker-hafte
Wahlergebnisse als normal anzusehen und eine Dreiviertel-Mehrheit als
Niederlage.
Innerparteiliche Demokratie ist keine formelle Angelegenheit. Sie dient als
Vorwarnsystem: einer Parteiführung frühzeitig anzuzeigen, wenn sie falsch
liegt, sodass Wahlniederlagen wie 2009 und 2013 vermieden werden können.
Die SPD könnte daher von den 74,3 Prozent profitieren.
Kurzfristig, wenn sie das Ergebnis als Konsequenz auch von Gabriels
Zick-Zack-Kurs deutet: in der Griechenland-Frage, bei TTIP, bei Pegida und
den Flüchtlingen. Politik braucht Berechenbarkeit. Niemand stellt
Blankoschecks für einen Kanzlerkandidaten aus, der sich als Wundertüte
präsentiert. Offen ist allerdings, ob Gabriel zu solchen Selbstkorrekturen
in der Lage ist.
Die zweite Hoffnung ist langfristiger Art: Gehen die Wahlen 2017 verloren,
muss die SPD wieder diskursiver werden, wenn sie wachsen will. Für die
schwierigen Zukunftsfragen in der Außen- und Wirtschaftspolitik gibt es
keine Patentrezepte und daher auch keine Lösungen par ordre du mufti. Die
SPD schafft es, wenn sie wieder Lust an der offenen Debatte hat, ohne sich
selbst zu zerfleischen – und eine Führung, die dies repräsentiert. In
Berlin hat sie es schon mal gewagt, mit der Basta-Kultur zu brechen.
13 Dec 2015
## AUTOREN
DIR Martin Reeh
## TAGS
DIR SPD-Parteitag
DIR Sigmar Gabriel
DIR Peer Steinbrück
DIR Bundestag
DIR Peer Steinbrück
DIR Schwerpunkt Syrien
DIR Kanzlerkandidatur
DIR SPD
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Lebenslauf von SPD-Politikerin geschönt: Abgeordnete Hinz gibt Mandat auf
Kein Abitur, kein Jurastudium, keine Staatsexamina: SPD- Frau Petra Hinz
hat Teile ihres Lebenslauf erfunden. Deshalb räumt sie nun ihren Sitz im
Bundestag.
DIR Peer Steinbrück verlässt den Bundestag: Schmidt-Stifter tritt ab
Peer Steinbrück legt Ende September sein Bundestagsmandat nieder. Der
frühere Kanzlerkandidat will seiner SPD aber weiter mit Rat zur Seite
stehen.
DIR SPD-Mitgliedervotum zu Syrien-Einsatz: Abstimmen ohne Einfluss
Die SPD-Fraktion betrachtet die Mitgliederbefragung zu Syrien als nicht
bindend. Geschäftsführerin Lambrecht wertet das Votum als „Stimmungsbild“.
DIR Der Kurs der SPD nach dem Parteitag: Jetzt erst recht
Sigmar Gabriel interpretiert das miese Wahlergebnis als Vorsitzender auf
seine Weise. Was bedeutet die Klatsche für den Chef für die SPD?
DIR Kommentar Lage der SPD: Zu viele Tänzchen
Die Sozialdemokraten wollen es allen recht machen: Arbeitern, Studienräten
– und der CDU. Doch Stimmen holen sie damit nicht.