# taz.de -- Kommentar EU-Beitritt der Türkei: Noch ein Wortbruch
> Die EU nimmt die Beitrittsgespräche mit der Türkei wieder auf. Als
> „Gegenleistung“ soll die Seegrenze nach Griechenland abgeriegelt werden.
IMG Bild: Merkel besuchte die Türkei bereits im Oktober, um über ihre Flüchtlingspolitik zu sprechen.
Einen schlechteren Zeitpunkt hätte sich die EU kaum aussuchen können.
Ausgerechnet in dem Moment, da die Türkei beginnt, die Grenze zu Syrien
abzuriegeln und Flüchtlinge zurück in den Krieg zu schicken, nimmt die EU
die Beitrittsgespräche wieder auf.
Bis zu 100.000 Syrern droht die Abschiebung, warnen
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl. Doch statt diesen
besorgniserregenden Vorwürfen nachzugehen, fordert EU-Erweiterungskommissar
Johannes Hahn „mehr Pragmatismus“.
Pragmatismus? Gemeint ist wohl Zynismus. Schließlich ist es aus EU-Sicht
durchaus gewollt, dass die Türkei härter gegen Flüchtlinge vorgeht. Das ist
nämlich der Kern des schmutzigen Deals, den die EU-Kommission mit dem
türkischen Sultan Recep Erdo ğan ausgehandelt hat.
Du hältst mir deine Flüchtlinge vom Leib, wir reden wieder über Beitritt –
so lautet die unausgesprochene Linie der EU-Realpolitiker. Nicht nur ein,
sondern gleich fünf Beitrittskapitel sollen in den nächsten Monaten
geöffnet und vorangetrieben werden.
Als „Gegenleistung“ erwartet die EU, dass die Türkei die Seegrenze über die
Ägäis nach Griechenland abriegelt und die Flüchtlinge im Land besser
versorgt. Doch selbst dieses „pragmatische“ Vorgehen ist verlogen. Denn die
Verhandlungen mit der Türkei sind nicht ernst gemeint.
## Die privilegierte Partnerschaft
In seiner Amtszeit werde es keine weiteren EU-Beitritte geben, hat
Kommissionschef Jean-Claude Juncker schon vor einem Jahr gesagt. Die Türken
können so gut verhandeln, wie sie wollen, am Ende blüht ihnen doch wieder
nur die „privilegierte Partnerschaft“, die Merkel fordert.
Und die Menschenrechte? Sie dürften auf der Strecke bleiben. Eigentlich
hatte die EU versprochen, zuerst die wichtigen Beitrittskapitel zu Justiz
und Menschenrechten zu öffnen. Dies hätte die Chance eröffnet, die
türkischen Defizite anzusprechen. Stattdessen redet man zuerst über
Wirtschaftsthemen – noch ein Wortbruch.
15 Dec 2015
## AUTOREN
DIR Eric Bonse
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