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       # taz.de -- Zusammen im Knast: Gefangenenaustausch kommt
       
       > Strafvollzug wird modern: Frauen und Jugendliche aus Hamburg und
       > Schleswig-Holstein sollen ab 2019 gemeinsam einsitzen.
       
   IMG Bild: Trotz Weihnachts-Deko: Der Frauentrakt der Justizvollzugsanstalt Lübeck soll aufgelöst werden.
       
       Hamburg und Schleswig-Holstein planen den Gefangenenaustausch: Straffällige
       Frauen aus beiden Ländern sollen ihre Haft in Billwerder absitzen, die
       Jugendlichen aus Stadtstaat und Flächenland gehen in die Knäste in
       Neumünster und Schleswig, die heute schon Ausbildungswerkstätten und
       Berufsvorbereitungskurse anbieten. Die Pläne verkündeten Hamburgs
       Justizsenator Til Steffen und die Kieler Justizministerium Anke Spoorendonk
       (SSW) am Dienstag in Kiel. Der gemeinsame Vollzug könnte nach jetzigem
       Zeitplan 2019 starten.
       
       Grund der Zusammenlegung sind sinkende Gefangenenzahlen: Zurzeit sitzen
       sowohl in Hamburg als auch in Schleswig-Holstein rund 50 Frauen und 50
       Jugendliche ein – durch diese „geringe Nachfrage“, so Steffen, seien die
       Gruppen jeweils „kritisch klein“. Wenn durch die Zusammenlegung je 100
       Personen einsitzen, sei das eine „Win-Win-Situation“.
       
       Es gehe darum, den Strafvollzug „wirtschaftlicher“ zu gestalten, sagte
       Spoorendonk. Aber: „Das Ziel ist nicht zu sparen.“ Geld und Personal
       könnten eher für bessere Angebote und Therapie eingesetzt werden, von denen
       alle Gefangenen profitierten könnten. Wenn die Frauen Lübeck verließen,
       wäre in der Vollzugsanstalt mehr Platz für Anti-Gewalt-Training und Räume
       für Ältere. 2016 wollen die Justizbehörden gemeinsam prüfen, wie die
       Konzepte umgesetzt werden können, dann folgt ein Staatsvertrag als
       rechtliche Basis. Die finanzielle Belastung für die Länder werde etwa auf
       heutigem Niveau bleiben, so Steffen. Für Gefangene, die im Nachbarland
       einsitzen, zahlt das Herkunftsland einen Ausgleich – schon heute sind
       jugendliche Straftäterinnen in Niedersachsen untergebracht, und
       Schleswig-Holstein und Hamburg kooperieren bei der Unterbringung der
       Sicherheitsverwahrten.
       
       Protest gegen die Pläne kommt von der Hamburger CDU: „Erfolgreiche
       Resozialisierung jugendlicher Straftäter braucht eine heimatnahe
       Unterbringung“, sagt Richard Seelmaecker, justizpolitischer Sprecher der
       CDU-Bürgerschaftsfraktion. Senator Steffen erweise „der Sicherheit in
       unserer Stadt einen Bärendienst“, wenn die jungen Straftäter nun nach
       Schleswig-Holstein ausgelagert werden.
       
       Steffen kontert: Wer so argumentiere, kenne die heutige Lage nicht. Die
       Haftanstalt Hahnöfersand sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Hamburg
       aus nur schwer zu erreichen. Das Gefängnis folge der Logik „von vor 100
       Jahren, als man dachte, die Jugendlichen sollten raus aus der Stadt und in
       frischer Luft arbeiten“. Heute ist Hahnöfersand renovierungsbedürftig –
       16,5 Millionen Euro müsste Hamburg zahlen. „Das Geld stecke ich lieber in
       moderne Strukturen“, so Steffen.
       
       So klar wie ihr Kollege konnte Anke Spoorendonk die finanziellen Vorteile
       für Schleswig-Holstein nicht benennen. Denn hier wird bereits modernisiert,
       unter anderem im Schleswiger Jugendgefängnis. Auch in Lübeck, wo zurzeit
       noch die Frauen untergebracht sind, muss umgebaut werden. Dies seien
       allerdings Arbeiten, die laut bestehenden Sanierungsplänen ohnehin
       anstanden, so die Ministerin – was ihr die Kritik von Barbara Ostmeier
       (CDU) einbrachte: Ohne klar definierte Ziele sei fraglich, auf welcher
       Grundlage Spoorendonk eigentlich verhandle. Hamburg sei nicht nur weiter
       bei seinen Konzepten, sondern habe auch die Pläne vor Monaten offengelegt,
       während Spoorendonk „lediglich von vagen Fachgesprächen“ berichtet habe.
       
       In Erklärungsnöte geriet die Ministerin bei der Frage, was nun anders sei
       als vor einigen Jahren, als der SSW – der oft regionale Interessen seines
       Kerngebiets im Norden vertritt – gegen die Pläne der damaligen
       schwarz-gelben Regierung kämpfte, den Mini-Knast in Flensburg zu schließen:
       „Das hat damit nichts zu tun“, so Spoorendonk.
       
       16 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
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