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       # taz.de -- Zschäpe-Aussage im NSU-Prozess: Am Mittwoch soll es wirklich klappen
       
       > Zweieinhalb Jahre schwieg Beate Zschäpe im NSU-Prozess. Am Mittwoch will
       > sie nun aussagen – lassen. Aber nur unter ihren Bedingungen.
       
   IMG Bild: Nervenzusammenbruch überstanden: Beate Zschäpe betritt den Gerichtssaal.
       
       München taz | Etwas blass sieht Beate Zschäpe aus, als sie, im schwarzen
       Hosenanzug, die Haare zum Zopf geflochten, am Dienstag den Saal im Münchner
       Oberlandesgericht betritt. Aber sie lächelt. Das Blitzlicht der Fotografen
       gewittert, auf der Besuchertribüne, bis auf den letzten Platz gefüllt,
       warteten alle bereits auf ihre Ankunft.
       
       Zschäpe hat es wieder mal geschafft: Alle Blicke richten sich auf sie. Denn
       eigentlich hätte der Dienstag Zschäpes großer Tag werden können. Eigentlich
       hätte sie, nach zweieinhalb Jahren hartnäckigen Schweigens im Prozess, sich
       erstmals äußern wollen. Eigentlich.
       
       Noch am Montagnachmittag sah es danach aus. Dann aber teilte ihr fünfter
       und neuester Anwalt, der Münchner Strafverteidiger Hermann Borchert, dem
       Gericht mit: Zschäpe gehe es „physisch und psychisch schlecht“, sie sei
       „völlig aus dem Gleichgewicht“. Nach einer Zellendurchsuchung habe sie
       einen Heulkrampf und wohl auch Nervenzusammenbruch erlitten.
       
       Am Dienstag aber bekräftigt Mathias Grasel, Zschäpes anderer Anwalt des
       Vertrauens: Die Aussage soll nun am Mittwoch erfolgen, in einer
       schriftlichen Einlassung, verlesen von ihm. Von 53 Seiten ist die Rede.
       Richter Manfred Götzl fragt Zschäpe direkt: „Wie geht es Ihnen?“ Die
       Angesprochene nickt leicht: „Gut“.
       
       ## Schluss mit der Schweigestrategie
       
       Am Mittwoch also soll es wirklich klappen. Schon seit Wochen hatte Grasel
       zusammen mit Borchert die Aussage eingefädelt. Bereits im November sollte
       diese mal erfolgen.
       
       Dann aber kamen ein Befangenheitsantrag gegen die Richter und ein
       Entpflichtungsantrag von Zschäpes drei ursprünglichen Verteidigern – Anja
       Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer – dazwischen. Das Anwältetrio setzt
       bis heute auf die Schweigestrategie. Die von Zschäpe nun durchkreuzt wird.
       
       Am Dienstag setzt die 40-Jährige auch die Konfrontation mit Stahl, Sturm
       und Heer fort. Kein Wort spricht sie mit den Dreien. Stattdessen beantragt
       am Morgen Hermann Borchert beim Gericht seine Beiordnung als
       Pflichtverteidiger. Seit November hatte er als Wahlverteidiger für Zschäpe
       gearbeitet, auf eigene Kosten. Beraten hatte er die Angeklagte schon länger
       zuvor.
       
       Richter Manfred Götzl lässt vorerst offen, ob er Zschäpe tatsächlich einen
       fünften, vom Staat bezahlten Anwalt gewährt. Erst im Juli hatte er ihr
       Grasel an die Seite gestellt. Der diktiert Götzl am Dienstag nun seine
       Bedingungen für die Zschäpe-Aussage.
       
       ## Schriftliche Befragung
       
       Fragen werde man nur schriftlich beantworten und nur von den Richtern –
       Bundesanwaltschaft, Opfer-Anwälte und Mitangeklagte blieben außen vor. Auch
       solle das Gericht seine Fragen per Katalog anreichen. Ab kommender Woche
       werde man diese dann nach und nach beantworten.
       
       Richter Götzl lässt sich nicht anmerken, was er von dem Ansinnen hält.
       Wirklich passen kann es ihm nicht. Bisher war er es, der im Saal den Ton
       angab. Und das Verfahren einer schriftlichen Befragung wäre in einer
       mündlichen Verhandlung höchst ungewöhnlich.
       
       Die Antworten Zschäpes müssten dann jeweils verlesen werden, bei Nachfragen
       müsste das Gericht neue Fragen einreichen, die wieder nur schriftlich
       beantwortet würden – es könnte ein langwieriges Prozedere werden.
       
       Im Strafprozess gilt aber auch: Jede Möglichkeit, an Erkenntnisse zu
       gelangen, sollten ausgeschöpft werden. Und tatsächlich widerspricht Götzl
       dem Vorstoß Grasels vorerst nicht. Nur in einem Punkt lässt er ihn im
       Ungewissen: Ob der Prozesstag am Donnerstag ausfalle, wie von Zschäpe
       gewünscht, um sich zu erholen, das warte man erstmal ab.
       
       Sonst will Götzl nichts riskieren. Nicht einen Tag vor dem Termin, an dem
       Zschäpe nun offenbar wirklich ihr Schweigen bricht.
       
       8 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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