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       # taz.de -- Zschäpes neue Anwälte: „Die richtige Taktik“
       
       > Jahrelang setzte die Verteidigung auf das Schweigen ihre Mandantin. Dann
       > verhalfen zwei Münchner Juristen der Angeklagten zur radikalen
       > Kehrtwende.
       
   IMG Bild: Beate Zschäpe mit ihrem Anwalt Mathias Grasel in München im Gerichtssaal.
       
       MÜNCHEN taz | Es war im Sommer 2014, als Beate Zschäpe Hermann Borchert das
       erste Mal um Hilfe bat. Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess wollte ihre drei
       Pflichtverteidiger loswerden und suchte juristischen Rat. Hermann, ein
       bekannter Strafverteidiger in München, sagte zu. Von Streit über die
       Verhandlungsstrategie war letztlich in Zschäpes Antrag die Rede, von
       fehlendem Engagement der Anwälte vor Gericht. Der Antrag scheiterte. Aber
       der Bund war geknüpft.
       
       Am Mittwoch, knapp anderthalb Jahre später, will Hermann Borchert erstmals
       selbst im NSU-Prozess sitzen – nun offiziell als Zschäpes Anwalt. Im
       November hatte er sich beim Gericht als Wahlverteidiger der Angeklagten
       angemeldet.
       
       Anders als die anderen vier Verteidiger wurde Borchert damit nicht vom
       Staat bezahlt. Wer es stattdessen tat oder ob er auf eigene Kosten
       arbeitete, wollte der Anwalt bisher nicht beantworten. Am Dienstag dann der
       nächste Schritt: Borchert beantragte die Beiordnung als fünfter
       Pflichtverteidiger. Eine Entscheidung des Gerichts dazu steht noch aus.
       
       Im Hintergrund hatte Borchert schon länger gewirkt – und die für Mittwoch
       geplante Aussage Zschäpes mit eingefädelt. Bereits im Juli war Borcherts
       Kanzleikollege, der 31-jährige Mathias Grasel, auf Zschäpes Wunsch zum
       vierten Pflichtverteidiger ernannt worden. Die beiden Juristen hatten
       Zschäpe regelmäßig in der JVA Stadelheim besucht, bis heute nach eigener
       Auskunft rund 70 Mal. Schon Ende August hatte Borchert dann Richter Manfred
       Götzl kontaktiert und über die geplante Aussage Zschäpes unterrichtet. Am
       Mittwoch nun soll es so weit sein.
       
       Es ist ein radikaler Bruch mit Zschäpes bisheriger Verteidigungsstrategie,
       die auf ein striktes Schweigen setzte. Diese Strategie, tat Grasel zuletzt
       kund, sei nicht mehr zu halten. Eine Erklärung sei inzwischen „dringend
       geboten“. Auch wenn es Grasel und Borchert so nicht aussprechen, sind sie
       offenbar überzeugt: Viel zu verlieren gibt es für Zschäpe im Prozess nicht
       mehr, seit die Richter ihren Verurteilungskurs durchscheinen ließen.
       
       ## Auf Wunsch der Angeklagten
       
       Zschäpes drei ursprüngliche Verteidiger – Anja Sturm, Wolfgang Stahl und
       Wolfgang Heer – machen dagegen keinen Hehl daraus, dass sie nichts von der
       Aussage halten. Fatal sei diese für die Angeklagte. Denn äußere sich
       Zschäpe nicht umfassend zu allen Punkten, könne ihr das als „Teilschweigen“
       angelastet werden. Umfassend aber hatte sich die mutmaßliche
       Rechtsterroristin nicht mal intern gegenüber Sturm, Stahl und Heer
       geäußert, wie die Anwälte selbst dem Gericht gegenüber einräumten. Grasel
       dagegen behauptet, auf alle seine Fragen von Zschäpe Antworten zu bekommen.
       
       Warum Grasel und Borchert Zschäpe verteidigen, wollen beide nicht
       beantworten. Es sei der Wunsch der Angeklagten, lassen sie nur wissen. Es
       ist aber wohl das Renommee, an diesem Jahrhundertprozess mitzuwirken, das
       lockt – und die Aussicht, diesem nun eine vermeintlich entscheidende Wende
       zu verpassen. Für Grasel, ein 31-jähriger Newcomer und erst seit 2011 als
       Anwalt zugelassen, ist der Prozess gleich die erste große Karrierechance.
       Aber auch für Borchert, seit 32 Jahren im Geschäft, ist es das bisher
       größte Mandat.
       
       Schweigen, schreibt Borchert auf seiner Internetseite, sei immer erstmal
       sein „mit Nachdruck erteilter Rat“ an jeden Beschuldigten. Ganz eisern gilt
       die Regel offenbar aber nicht. In einigen Fällen, so Borchert, sei auch ein
       Geständnis „die richtige Taktik“. Für Zschäpe soll diese Ausnahme am
       Mittwoch nun gelten, zumindest für eine Aussage..
       
       8 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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