URI: 
       # taz.de -- Vor der Wahl in Spanien: Der Bildschirm-Premier
       
       > Wahlkampf durch Vermeidung von Öffentlichkeit: Ministerpräsident Mariano
       > Rajoy fährt eine eigenwillige Medienstrategie.
       
   IMG Bild: Kaum zu sehen: Spaniens Ministerpräsident Rajoy.
       
       MADRID taz | Erstmals seit dem Ende der Diktatur 1975 wählen die spanischen
       Bürger am 20. Dezember ein Parlament, das nicht mehr von zwei großen
       Parteien bestimmt werden wird: Die Antiausteritätspartei Podemos und die
       rechtsliberalen Ciudadanos machen der konservativen Regierungspartei
       Partido Popular (PP) und der sozialistischen PSOE die Vorherrschaft
       streitig. Ihr Rezept: Präsenz in sozialen Netzwerken und in den Talkshows,
       die seit 2011, als die „Empörten“ überall im Lande Plätze besetzten, auf
       den meisten Kanälen die Herz-Schmerz-Shows zur samstäglichen Primetime
       abgelöst haben.
       
       Auch jetzt, im Wahlkampf, wird debattiert, was das Zeug hält. Erstmals
       veranstaltete eine Universität in Madrid eine Kandidatendebatte im US-Stil.
       Und die größte Tageszeitung des Landes, El País, organisierte eine
       Onlinedebatte und verkaufte das Bildmaterial davon an Agenturen und einen
       Privatsender. Mit Erfolg: Jeder vierte Spanier hat zumindest Ausschnitte
       daraus gesehen.
       
       Nur einer macht nicht mit: Premier Mariano Rajoy. Er scheut schwierige
       Interviews und weigert sich, mit Podemos-Chef Pablo Iglesias und
       Ciudadanos-Spitzenkandidat Albert Rivera zu diskutieren. Auf der El
       País-Bühne stand darum demonstrativ ein leeres Pult. Rajoy weiß, warum er
       sich versteckt: Seine Popularität liegt danieder. Nach vier Jahren harter
       Sparpolitik prophezeien ihm die Umfragen mehr als ein Drittel weniger
       Wähler. In der Auseinandersetzung mit den Neuen hat er wenig zu gewinnen,
       aber noch mehr zu verlieren, so die Analyse des PP-Wahlkampfteams.
       
       Die Opposition redet von „Feigheit“. Der Premier hält dagegen, kein
       Kandidat habe in der Vergangenheit „so oft debattiert wie ich“. Lediglich
       eine Einladung zum Duell mit dem sozialistischen Spitzenkandidaten Pedro
       Sánchez nahm er an. Der Schönheitsfehler dabei: Auch Sánchez dürfte in den
       Wahlen nur knapp über 20 Prozent kommen – das wäre das schlechteste
       Ergebnis in der Geschichte der PSOE.
       
       ## Der den Fernseher sprechen lässt
       
       Rajoy umging in seinen vier Jahren als Regierungschef die Presse, wann
       immer es möglich war. Er verschwand durch Hinterausgänge oder bediente sich
       eines zu trauriger Berühmtheit gelangten Plasmafernsehers. Dieser wurde
       2012 im Presseraum der PP-Zentrale in Madrid installiert, als Kassenwart
       Luis Bárcenas wegen systematischer illegaler Parteienfinanzierung verhaftet
       worden war. Statt der Presse Rede und Antwort zu stehen, hielt Rajoy eine
       kurze Ansprache über eben jenen Plasmafernseher. Nur wenige Monate später
       wiederholte sich die Szene nach einer Steuerreform.
       
       „Ich kann nicht alle Termine wahrnehmen, unter anderem, weil ich
       Regierungschef bin“, sagte Rajoy und trat dennoch zeitgleich zur
       El-País-Debatte in einem ihm wohlgesinnten Privatsender in den
       Abendnachrichten auf. Wenige Tage zuvor fand er bereits eine Lücke im
       Kalender und agierte als Kokommentator bei einem Champions-League-Spiel von
       Real Madrid im Radiosender der spanischen Bischofskonferenz, Cope.
       
       70 Prozent der Spanier kritisieren Rajoy in Umfragen für das Versteckspiel,
       darunter jeder vierte PP-Wähler. Nur zwei Wochen vor dem Urnengang haben
       sich 41 Prozent der Wähler noch immer nicht entschieden, wem sie ihre
       Stimmen geben sollen.
       
       10 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
   DIR Mariano Rajoy
   DIR Podemos
   DIR Partido Popular
   DIR Spanien
   DIR Spanien
   DIR Parlamentswahl
   DIR Podemos
   DIR Wahlen
   DIR Spanien
   DIR Spanien
   DIR Barcelona
   DIR Spanien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sozialisten in Spanien unter Druck: Die marxistischen Horden
       
       Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy pokert: Er setzt bei
       der Regierungsbildung auf ein Scheitern der Sozialisten.
       
   DIR Parlamentswahl in Spanien: Konservative verlieren Mehrheit
       
       Die regierenden Konservativen haben nach ersten Prognosen wie erwartet ihre
       absolute Mehrheit verloren, wurden aber wieder stärkste Partei.
       
   DIR Parlamentswahl in Spanien: Teuer macht glücklich
       
       Was der Auberginenpreis mit dem Ausgang der spanischen Wahl zu tun hat.
       Unterwegs mit einer Podemos-Anhängerin.
       
   DIR Wahl in Spanien: Empörte und Bürger
       
       Zu viel gespart: Die Spanier sind unzufrieden mit den Volksparteien.
       Alternativen sind die rechten Ciudadanos und die linke Podemos.
       
   DIR Katalanische Unabhängigkeit: Beschluss für illegal erklärt
       
       Ein Dämpfer für Katalonien: Ein Gericht erteilt Abspaltungsbestrebungen
       eine Absage. Es hebt eine entsprechende Resolution auf.
       
   DIR Afghanische Flüchtlinge in Spanien: Aufgenommen und dann vergessen
       
       Afghanen haben das spanische Militär in ihrem Heimatland unterstützt. Als
       Geflüchtete in Spanien werden ihre Dienste vergessen.
       
   DIR Separatismus und Katalonien: Mehr als nur Mythen
       
       Viele Katalanen wünschen sich eine Loslösung von Spanien. Dahinter steckt
       neben Geschichtsbewusstsein auch die europäische Krisenpolitik.
       
   DIR Kommentar Regionalwahl in Katalonien: Gewählt. Verzockt?
       
       Nach der Wahl fühlen sich die Separatisten und ihre Gegner als Sieger.
       Miteinander reden wollen sie nicht. So verzocken sie das ganze Land.