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       # taz.de -- Rechtpopulismus in Deutschland: Pegida geht die Puste aus
       
       > Demo-Absagen oder Kleinsttreffen: Außerhalb Dresdens schwindet die
       > Bewegung. Auch, weil sie sich weiter radikalisiert.
       
   IMG Bild: Diesmal singend, sonst aber zunehmend radikaler: Pegida-Anhänger in Dresden
       
       DRESDEN taz | Es ist ein lapidarer Satz, der in Düsseldorf Pegida
       beerdigte. „Dügida findet nicht mehr statt“, hieß es vor wenigen Tagen auf
       Facebook. Dabei war der Aufzug im Dezember 2014 der erste Pegida-Export
       nach Nordrhein-Westfalen. Zuletzt aber kamen kaum mehr als 30
       Demonstranten. Nun ist ganz Schluss.
       
       Auch aus Frankfurt/Main, Köln, Stuttgart oder Kassel ist Pegida wieder
       verschwunden. In anderen Städten, etwa München, Berlin oder Karlsruhe,
       treffen sich nur noch Kleingruppen. Zu Jahresbeginn waren es dort überall
       noch Hunderte Demonstranten.
       
       Es ist ein bemerkenswerter Kontrast. In Dresden kamen am Montagabend
       wiedermals 7.000 Anhänger zusammen, zum „Weihnachtssingen“ am Elbufer, der
       letzten Pegida-Aktion in diesem Jahr. Von einer „unglaublichen“ Kulisse
       sprach danach Frontmann Lutz Bachmann. Der Protest ist aber inzwischen ein
       Solitär: Denn in vielen Bundesländern erlahmt die asylfeindliche Bewegung
       sichtlich.
       
       Anders als in Dresden trafen die Ableger dort zumeist auf größeren
       Gegenprotest. Zudem hat sich die Bewegung immer weiter radikalisiert,
       Normalbürger finden sich auf den Veranstaltungen außerhalb Dresdens kaum
       noch ein.
       
       ## „Rechtsextrem gesteuert“
       
       Sicherheitsbehörden konstatieren für die Pegida-Ableger in Berlin, NRW,
       Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern inzwischen
       eine „rechtsextremistische Steuerung“. Dort würden heute bekannte Neonazis
       die Aufzüge anmelden oder als Redner auftreten. In einem am [1][Dienstag
       veröffentlichten Lagebild] attestierte der Verfassungsschutz dem Berliner
       Pegida-Spross, dieser werde „klar von Rechtsextremisten dominiert“,
       darunter „Pro Deutschland“, die NPD oder die „Identitäre Bewegung“. Das
       schlage sich auch in Straftaten nieder, etwa dem Zeigen des Hitler-Grußes.
       
       Tatsächlich wird die Sprache der Bewegung immer extremer. In Magdeburg
       sollen Anhänger zuletzt die Namen von Grünen- und Linken-Politikern und
       dann „Tod“ skandiert haben. In Villingen (Baden-Württemberg) bedrängten
       Demonstranten im Oktober einen Mitläufer mit einer Israel-Fahne. Es war das
       Ende der auch dort geschrumpften und radikalisierten Truppe: „Ab sofort“,
       hieß es danach, werde es keine Aufzüge mehr geben.
       
       Hetze gegen „Krimilanten“ 
       
       Auch in Dresden gab es für Pegida schon bessere Zeiten: Im Januar
       demonstrierten dort noch 25.000 Anhänger. Und auch hier hat sich der Ton
       verschärft. Gegen Frontmann Bachmann ist inzwischen Anklage wegen
       Volksverhetzung erhoben. Gegen seine Mitstreiterin Tatjana Festerling
       laufen Ermittlungen. Auch am Montag hetzten [2][Redner über „Krimilanten“]
       und warnten vor „Eurabien“, die Menge skandierte „Widerstand“.
       
       Gleichzeitig aber verstetigt sich der Gegenprotest. Am Montag versammelten
       sich am anderen Elbufer 4.000 Pegida-Gegner zu einer Kundgebung „Herz statt
       Hetze“. Bereits im Oktober, zum einjährigen Jubiläum der
       Anti-Asyl-Bewegung, hatten sich mehr als 15.000 Gegendemonstranten
       eingefunden.
       
       Am Dienstag forderten die Beschäftigten der Semperoper und der Sächsischen
       Staatskapelle Widerstand auch von der Politik ein – in einem offenen Brief
       an Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und Dirk Hilbert (FDP).
       „Montäglich müssen wir an Menschen, die aggressive und diskriminierende
       Parolen skandieren, vorbei den Weg zu unserem Arbeitsplatz suchen“, klagen
       die MitarbeiterInnen. „Wir wollen das nicht mehr hinnehmen.“ Tillich und
       Hilbert müssten sich der „Intoleranz und Menschenverachtung
       entgegenstellen“ mit „allen verfügbaren Mitteln“.
       
       Schon einmal totgesagt 
       
       Tatsächlich bleibt ein Ende der Pegida-Bewegung abzuwarten. Schon einmal
       war sie totgesagt. Im Frühjahr büßte Pegida auch in Dresden Woche um Woche
       Teilnehmer ein. Dann, im Herbst, waren die Flüchtlingsfeinde plötzlich
       wieder da: mit der anschwellenden Flüchtlingsdebatte.
       
       Nun soll bereits am 4. Januar in Dresden der nächste „Spaziergang“
       stattfinden. In Erfurt, wo die AfD den bisher zweitgrößten Anti-Asyl-Aufzug
       des Landes organisierte und man sich schon im November in die Winterpause
       verabschiedete, soll der Protest am 13. Januar wieder aufgenommen werden.
       
       Andernorts ist die Fortsetzung noch ungewiss. Bei „MVGida“ aus
       Mecklenburg-Vorpommern, einem der umtriebigsten Pegida-Ableger, verkündete
       man vor anderthalb Wochen den „vorerst letzten Spaziergang“. Nur noch 80
       Teilnehmer hatten sich da in Hagenow eingefunden. Für 2016 sammele man nun
       „neue Ideen“, ließen die Organisatoren wissen. Aber ob und wann es
       weitergeht: Fehlanzeige.
       
       22 Dec 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berlin.de/sen/inneres/verfassungsschutz/aktuelle-meldungen/2015/artikel.427663.php
   DIR [2] /Pegida-und-Anti-Pegida-singen-in-Dresden/!5263701
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
   DIR Michael Bartsch
   DIR Andreas Speit
       
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