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       # taz.de -- 32C3: Chaos Computer Club in Hamburg: „Die Kapazitäten sind begrenzt“
       
       > 12.000 Computer-Freaks treffen sich zwischen den Jahren zum Kongress des
       > Chaos Computer Clubs. Vor drei Jahren lockte Hamburg die Hacker her. Ob
       > sie bleiben?
       
   IMG Bild: Nerds unter sich: Beim Chaos Computer Club 2012 trafen sich die HackerInnen zum ersten Mal nach 13 Jahren in Hamburg.
       
       taz: Herr Hirdes, „Gated Communities“ lautet das Motto des diesjährigen
       „Chaos Communication Congresses“. Was bedeutet eine Zugangsbeschränkung für
       das Internet? 
       
       Michael Hirdes: Immer mehr Menschen werden aus ihren Geräten ausgesperrt.
       Bei den modernen Smartphones bestimmt der Hersteller, was ich darauf
       installieren kann und was nicht. Ich kann mit meinem Gerät nicht mehr tun,
       was ich will, sondern nur das, was der Produzent mir erlaubt. Aus diesen
       Gated Communities, also abgegrenzten Bereichen, müssen wir ausbrechen. Es
       geht dabei aber auch um allgemeine Partizipation, etwa darum, in den
       Erstaufnahmeunterkünften für Flüchtlinge WLAN zu installieren.
       
       Ist das der programmatische Congress-Schwerpunkt? 
       
       Der Schwerpunkt von über hundert thematisch weitgefächerten Vorträgen und
       etlichen Workshops ist das Ausbrechen aus diesen Communities. Es geht aber
       auch darum, Menschen zusammenbringen, um über die unterschiedlichsten
       Themen zu diskutieren: Von politischen Themen bis hin zur
       Datensicherheit...
       
       … die bekanntlich in den vielen Bereichen große Lücken aufweist. 
       
       Ein großes Problem ist, dass viele Menschen freiwillig sehr persönliche
       Daten preisgeben und – Thema Cloudcomputing – ihre Daten auf Computern
       anderer Leute lagern. Dann empören sie sich, wenn diese Daten am falschen
       Ort landen. Wir wollen aufzeigen, wie man mit Computern arbeiten kann, ohne
       seine Daten rauszugeben und das im Übrigen auch das gute, alte Bargeld eine
       feine Sache ist.
       
       Vor allem für viele Jüngere scheint es ganz normal zu sein, viele Daten im
       Netz preiszugeben. Nimmt die Sensibilität gegenüber diesen Themen
       tatsächlich ab oder zu? 
       
       Gerade bei den jungen Leuten, die mit dem Netz aufwachsen, sehen wir
       häufig, dass es ihnen bewusst ist, dass sie Daten nach draußen geben und
       sie sehr drauf achten, dass etwa auf Partys nicht fotografiert wird. Wo ich
       viel größere Sorge habe, ist die Generation, die noch mit drei
       Fernsehkanälen aufwuchs und dann vom Internet überrollt wurde. Diese
       Menschen posten arglos die Fotos ihrer Kinder oder Enkelkinder und machen
       sich keine Gedanken darüber, dass diese Bilder dann im Netz kursieren.
       
       Hat das Bekanntwerden der NSA-Ausspähungen das Bewusstsein erhöht? 
       
       In der breiten Bevölkerung ist das Thema angekommen, allerdings sind viele
       Menschen hilflos, fragen sich, was sie denn tun können und haben keine
       Lösungsansätze.
       
       Was wären Lösungsansätze? 
       
       Zumindest eine funktionierende Geheimdienstkontrolle und nicht eine
       Simulation, in der letztendlich der Geheimdienst selber entscheidet, was er
       parlamentarischen Kontrollgremien zur Prüfung vorlegt.
       
       Ein anderes großes Thema war das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Wie
       gehen Sie damit um? 
       
       Die Vorratsdatenspeicherung ist ja ein Dauerthema bei uns. Wir werden uns
       an den Klagen gegen das Gesetz beteiligen, da die Politik auf uns und
       andere Experten ja nicht hört, die sagen: Vorratsspeicherung ist Blödsinn.
       
       Nun ist das Netz aber unbestritten auch eine Plattform zur Vorbereitung
       krimineller Taten. Kann man vor diesem Hintergrund noch pauschal eine
       offenes und freies Netz fordern? 
       
       Das Briefgeheimnis ist nicht ohne Grund eingeführt worden: Wenn jemand
       kriminelle Energie hat, findet er immer einen Weg, zu kommunizieren. Ob das
       mit verschlüsselten Texten auf Papier oder im Netz passiert, macht wenig
       Unterschied. Man muss deswegen nicht die Kommunikation von 80 Millionen
       Menschen überwachen, weil ein winzig kleiner Anteil schlimme Dinge tut.
       
       Wie fällt Ihr Urteil aus, wenn es um das Spannungsfeld zwischen
       Hasskommentaren und Meinungsfreiheit geht. 
       
       Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut der Demokratie – und sobald die
       sogenannten Hasskommentare strafrechtlich relevant werden oder Menschen
       mobben, wird dagegen ja vorgegangen. Die Frage ist doch: Haben wir hier ein
       soziales oder ein technisches Problem? Soziale Probleme können wir nicht
       durch Technik lösen.
       
       Wie wichtig ist der Kongress politisch? 
       
       Wir versuchen Themen anzustoßen und den Entscheidern einmal mehr
       Informationen an die Hand zu geben. Inwieweit das Früchte trägt, ist schwer
       vorhersehbar.
       
       12.000 Menschen haben sich bereits für den Kongress angemeldet, der 2012
       aus Kapazitätsgründen von Berlin nach Hamburg umzog – und mit Mitteln aus
       der Kultur- und Tourismustaxe, die Privatreisende bei Hotelbesuchen zahlen,
       gelockt wurde. Steht wegen der großen Nachfrage wieder ein Umzug ins Haus? 
       
       Noch fühlen wir uns wohl im CCH, auch wenn seine Kapazitäten begrenzt sind.
       
       Wie erklären sie sich das anwachsende Interesse an der Veranstaltung? 
       
       Als 1984 der erste Kongress mit 150 Leuten im Bürgerhaus Eidelstedt
       stattfand, war die Anzahl der Menschen, die sich mit Computern beschäftigt
       haben, noch sehr gering und die Grünen im Bundestag diskutieren darüber,
       Computer komplett aus ihren Fraktionsbüros zu entfernen, weil sie
       Teufelszeug wären. Heute hat fast jeder Mensch Umgang mit Computern –aus
       einem Nischenthema ist eines geworden, das alle angeht.
       
       24 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
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