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       # taz.de -- Geplante Bahn-Alternative Locomore: Vom kultivierten Zugfahren
       
       > Die Firma Locomore möchte per Crowdfunding eine günstige und ökologische
       > Alternative zur Bahn bieten – zunächst zwischen Berlin und Stuttgart.
       
   IMG Bild: Wen Kinder nerven, der geht ins WLAN-Abteil.
       
       Berlin taz | LAN-Party, Kinderspielecke, Businesslounge – alles in einem
       Zug. Wenn es nach Locomore geht, wird das ab Herbst 2016 Realität. Dann
       soll täglich ein Intercity zwischen Stuttgart und Berlin pendeln, am Morgen
       hin, am Nachmittag zurück. Auf Wunsch im Themenabteil, um Menschen mit
       gleichen Interessen an einem Ort zusammenzubringen.
       
       Die Fahrtzeit beträgt knapp sieben Stunden, Zwischenhalte gibt es unter
       anderem in Frankfurt, Göttingen und Hannover. Der Zug ist anderthalb
       Stunden langsamer als der ICE, dafür aber wesentlich billiger. Zwischen 22
       und 66 Euro sollen die Tickets kosten und damit weniger als die Hälfte des
       Normalpreises der Bahn. Der liegt momentan bei 142 Euro.
       
       Das Ungewöhnliche: Locomore ist [1][ein Crowdfunding-Projekt].
       Interessierte können dem Unternehmen entweder direkt Kredite zur Verfügung
       stellen oder die Crowdfunding-Plattform Startnext nutzen. Dort gibt es im
       Gegenzug vorab Ticketgutscheine. 460.000 Euro Startkapital braucht Locomore
       insgesamt, um den Intercity ins Rollen zu bringen. Etwas über 280.000 Euro
       hat das Unternehmen bereits gesammelt, doch bis zur Schwelle ist es noch
       ein weiter Weg. Wird die nicht erreicht, bekommen alle ihr Geld zurück. Für
       Derek Ladewig, Gründer und Chef von Locomore, ist das allerdings keine
       Option. „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Marke knacken“, sagt er.
       Gerade erst hat Locomore eine Tour durch fast alle Städte mit Haltestellen
       an der neuen Strecke beendet.
       
       Ladewig und sein Team sind AnhängerInnen des kultivierten Bahnfahrens.
       Höchstgeschwindigkeiten unter 200 km/h, Angebote für Kinder und nicht
       zuletzt auch Umweltschutz. 100 Prozent Ökostrom und Bio-Catering sind Teil
       des Angebots. „Bei entsprechender Auslastung ist die Bahn ökologischer als
       der Bus“, so Ladewig. Triebwagen und Waggons hat Locomore von einem
       ausländischen Unternehmen angemietet und modernisiert. Ursprünglich kommen
       sie aber von der Deutschen Bahn.
       
       ## Der Gründer ist kein Neuling
       
       Neue Schienen baut das Unternehmen dafür nicht. Nach der Trennung von
       Gleissystem und Fahrbetrieb bei der Deutschen Bahn können andere Zugfirmen
       die Gleise zu den gleichen Bedingungen wie die Bahn selbst nutzen. Locomore
       hat die Strecke von Berlin nach Stuttgart bis 2020 per Vertrag gesichert.
       Wenn der Start klappt, sind weitere Strecken schon reserviert: Berlin–Köln,
       Berlin–Rügen und Frankfurt–München. Bei der Bezahlung des etwa 15-köpfigen
       Personals will sich Locomore an der Deutschen Bahn orientieren.
       
       Der Locomore-Geschäftsführer weiß, worauf er sich einlässt, er ist kein
       Neuling in der Branche. Das Quasimonopol der Deutschen Bahn ist ihm schon
       lange ein Dorn im Auge. Mitte 2012 hat er den Hamburg–Köln-Express (HKX)
       auf die Schienen gebracht, der zwischen den beiden Großstädten eine
       günstige Reisealternative bieten will. Als US-amerikanische Investoren in
       das Projekt einstiegen, zog sich Ladewig zurück. „Strategisch
       unterschiedliche Auffassungen“ hätten sie gehabt, mehr will er dazu nicht
       sagen. Bei der Premienenfahrt des HKX von Frankfurt/Main nach Köln Mitte
       Dezember war Ladewig trotzdem mit dabei. Immerhin hält sein Team noch immer
       geringe Anteile an dem Unternehmen.
       
       Bahnfahren fair und ökologisch und dann noch günstiger als mit Bahncard 50?
       Das funktioniert nur bei entsprechender Auslastung. Als großes Unternehmen
       kann sich die Deutsche Bahn leere Züge leisten und so auch Nebenstrecken
       bedienen. Bei Locomore geht das nicht. „Wir brauchen eine Auslastung von 60
       Prozent, erst dann geht die Rechnung auf“, sagt Ladewig. Ob das langfristig
       klappt, weiß noch niemand. Einen Vorteil wird das Reisen mit Locomore im
       Vergleich zur Deutschen Bahn aber haben: Für die gesamte Strecke soll es
       kostenloses WLAN geben.
       
       27 Dec 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.startnext.com/locomore
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Seufert
       
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