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       # taz.de -- Silvester: „Angst darf nicht belächelt werden“
       
       > Psychiater Basel Allozy erklärt, weshalb Feuerwerkskörper für viele
       > Kriegsflüchtlinge eine Belastung darstellen können.
       
   IMG Bild: Für viele Berliner pure Unterhaltung, für Kriegsflüchtlinge unter Umständen Panik auslösend: Laute Feuerwerke an Silvester
       
       taz: Herr Allozy, viele Flüchtlinge kommen aus Kriegsgebieten. Sind laute
       Feuerwerke an Silvester für sie eine besondere Belastung? 
       
       Basel Allozy: In der Tat beobachten wir, dass Flüchtlinge, die einen Krieg
       erlebt haben, oft sehr empfindlich auf explosionsartige Geräusche
       reagieren. Viele sind einfach nur überdurchschnittlich schreckhaft. Es gibt
       aber auch Menschen, bei denen das Geräusch von explodierenden
       Feuerwerkskörpern richtige Flashbacks auslöst.
       
       Was ist ein Flashback? 
       
       Ein Flashback ist eine mögliche Folge einer posttraumatischen
       Belastungsstörung. Der betroffene Mensch hat das Gefühl, eine belastende
       Situation aus der Vergangenheit noch einmal real zu erleben. So kann etwa
       die Explosion eines Feuerwerkskörpers die Erinnerung an eine
       Bombenexplosion wachrufen. Ein Flashback kann aber auch durch andere Dinge
       ausgelöst werden.
       
       Durch welche zum Beispiel? 
       
       Das hängt stark davon ab, was ein Mensch erlebt hat. Bei einigen
       Flüchtlingen reicht ein lauter Türknall, um die Erinnerung an den Krieg
       hochkommen zu lassen. Andere können kein Blut sehen oder den Tod eines
       Mitmenschen nicht verkraften, weil sie im Krieg viele Menschen haben
       sterben sehen. Ich habe kürzlich in einer Flüchtlingsunterkunft einen
       Jungen kennengelernt, dessen Schwester direkt neben ihm getötet wurde, und
       der nun sehr gereizt auf die Farbe Rot reagiert, weil sie ihn an ihr Blut
       erinnert. Das wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus: Beim Malen benutzt
       er beispielsweise keine roten Stifte, außerdem vermeidet er rote Getränke
       und Lebensmittel.
       
       Woran erkennen Außenstehende ein Flashback? 
       
       Auch das ist unterschiedlich. Viele Menschen beginnen zu schreien oder zu
       weinen, zu zittern oder bekommen Schweißausbrüche. Manche reagieren gereizt
       und aggressiv, andere ängstlich und verschüchtert.
       
       Was können Mitarbeiter und Helfer in Flüchtlingsunterkünften tun, um
       Flashbacks an Silvester zu vermeiden? 
       
       Zunächst einmal ist es wichtig, die Menschen vorzubereiten, ihnen zu
       erklären, dass es Feuerwerke und deshalb Explosionsgeräusche geben wird.
       Außerdem ist es sinnvoll, in der Silvesternacht
       Gemeinschaftsveranstaltungen anzubieten, damit niemand alleine sein muss.
       Zusammensein vermittelt ein Gefühl von Sicherheit.
       
       Wie reagieren man am besten, wenn ein Bewohner trotzdem in Panik gerät? 
       
       Das Wichtigste ist, mit dem Menschen zu sprechen und dabei Ruhe und
       Sicherheit auszustrahlen. Auf seine Angst sollte man mit Verständnis
       reagieren und sie nicht belächeln oder herunterspielen. Sätze wie „Jetzt
       stell dich mal nicht so an“, helfen in solchen Momenten nicht weiter. Laien
       rate ich außerdem davon ab, nachzufragen, woran sich der Bewohner durch den
       Knall erinnert fühlt. Das könnte ein ernsthaftes Flashback auslösen.
       Handelt es sich um eine starke Panikattacke und der Bewohner lässt sich
       nicht beruhigen, sollte ein Notarzt gerufen werden.
       
       NaN NaN
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannah Wagner
       
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