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       # taz.de -- Justiz in Russland: Neue Anklage im Mordfall Nemzow
       
       > Ein tschetschenischer Polizeioffizier soll den Mord in Auftrag gegeben
       > haben. Die Opposition vermutet ein Ablenkungsmanöver des Staates.
       
   IMG Bild: Ein Mann entzündet eine Kerze am Tatort im Zentrum Moskaus.
       
       Berlin taz | Zehn Monate nach der Ermordung des bekannten russischen
       Oppositionspolitikers Boris Nemzow hat sich die russische Justiz auf die
       Drahtzieher des Verbrechens festgelegt. Am Dienstag nannte die
       Ermittlungsbehörde in Moskau den tschetschenischen Polizeioffizier Ruslan
       Muchudinow als mutmaßlichen Auftraggeber und Organisator. Die Verhaftung
       von Muchudinow, der sich aus Russland abgesetzt hat, sei nur noch die Frage
       der Zeit, sagte der Sprecher Wladimir Markin.
       
       Vier weitere Verdächtige sollen nach Angaben der Ermittler ebenfalls aus
       den Kaukasus-Regionen Tschetschenien und Inguschetien stammen. Der Prozess
       zum Nemzow-Mord könnte nach Abschluss der Ermittlungen bereits im Februar
       beginnen.
       
       Der 56-jährige Boris Nemzow war Ende Februar auf einer Brücke unweit des
       Kremls hinterrücks erschossen worden. Der Mord hat weltweit Entsetzen
       ausgelöst. Seit dem tödlichen Attentat wuchern Spekulationen über die
       Hintermänner.
       
       Die Anhänger und ehemalige Mitarbeiter von Nemzow vermuten, dass hinter der
       Ermordung der russische Sicherheitsapparat stehen könnte. Der mutmaßliche
       Auftraggeber Muchudinow diente in einer Einheit tschetschenischer
       Spezialkräfte, die den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow
       unterstützten. Unter den Angeklagten befindet sich auch der mutmaßliche
       Profikiller Saur Dudajew, ebenfalls ein Ex-Offizier Kadyrows. Nemzows
       Familie besteht darauf, die Verstrickung Ramsan Kadyrows in den Fall zu
       untersuchen.
       
       ## Hintermänner bleiben im Dunklen
       
       Der Anwalt der Tochter von Nemzow Schanna, Wadim Prochorow, äußerte Zweifel
       an der These von Muchudinow als Auftraggeber des Mordes. „Organisator für
       die niederen Ränge – ja. Aber die Auftraggeber waren hochgestellte Leute“,
       sagte er. Er vermutet, dass die Angeklagten als Sündenböcke hingestellt
       werden sollen, um die Aufmerksamkeit von dem näheren Kreis um den
       tschetschenischen Anführer Ramsan Kadyrow abzulenken.
       
       Der Ex-Vizeministerpräsident unter Präsident Boris Jelzin – Boris Nemzow
       galt als ein erbitterter Putin-Widersacher. Sein posthum veröffentlichter
       64-seitiger Bericht mit dem Titel „Putin – der Krieg“, für welchen er bis
       zuletzt recherchiert hat, liefert Beweise für die Präsenz russischen
       Militärs in der Ostukraine.
       
       Russische Regime-Kritiker schließen nicht aus, dass der brutale Mordfall am
       charismatischen Politiker niemals aufgedeckt wird. Wahrscheinlicher wäre
       es, dass die wahren Hintermänner im Dunklen bleiben, wie es bereits bei
       anderen prominenten Morden der jüngsten russischen Geschichte der Fall war:
       der Journalistin Anna Politkowskaja, des Oligarchen Boris Beresowskij oder
       des Ex-KGB-Spions Alexander Litwinenko.
       
       31 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jarina Kajafa
       
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