# taz.de -- Neue EU-Ratspräsidentschaft: Von Brexit und Nexit
> Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Brexit und jetzt auch noch Nexit haben die
> Niederländer bei ihrer EU-Ratspräsidentschaft zu bewältigen.
IMG Bild: Ratspräsident Donald Tusk mit dem „Kollegen“ Marc Rutte. Am 1. Januar übernimmt die Niederlande die halbjährige Präsidentschaft der EU.
Amsterdam taz | Am 1. 1. Januar übernehmen die Niederlande den
turnusmäßigen Vorsitz des Europäischen Rats. Festtagsstimmung allerdings
herrscht in Den Haag nicht: eine „nüchterne Präsidentschaft“ kündigte
Außenminister Bert Koenders an. Nach den milliardenschweren Sparprogrammen
der letzten Jahre ist das Budget im Vergleich zum letzten Vorsitz Den Haags
2004 halbiert.
Auch im Jahr 2016 wird die EU-Agenda im Zeichen von Terror-Bekämpfung und
Flüchtlingsfrage stehen. Die fragile wirtschafliche Lage und der drohende
EU-Austritt Großbritanniens komplettieren das sensible Koordinatensystem
der niederländischen Präsidentschaft. Im EU-Parlament in Brüssel betonte
Koenders zuletzt, die Niederlande wollten im kommenden Halbjahr die Einheit
unter den Mitgliedsstaaten fördern.
Jenseits offizieller Rhetorik allerdings spiegelt schon die Agenda Den
Haags die Brisanz dieses Vornehmens wider. Neben den Prioritäten „Wachstum,
Arbeitsplätzen und Innovation“, dem „Aktivieren und Beschützen der
EU-Bürger“ und einer zukunftsgerichteten Klima- und Energiepolitik setzt
man auch auf eine klare Aufgabenteilung.
Europäische Zusammenarbeit, wo sie vermeintlich wirkungsvoll ist, ansonsten
aber mehr Befugnisse für nationale Parlamente. Eine „besser funktionierende
EU“ nennt man das im Umfeld der Regierungspartei VVD. Premier Mark Rutte
hat um seine Vorlieben für eine EU auf Diät noch nie einen Hehl gemacht.
Unlängst gab er vor Journalisten unumwunden zu: „Wenn das EU-Parlament
meckert, weil es zu wenig Gesetzesvorschläge bekommt, dann jubele ich.“ Die
Präsidentschaft seiner Regierung wird sich mit der Frage beschäftigen
müssen, wieviel common ground noch vorhanden ist.
Angesichts der Brexit-Debatte und der Bruchlinien zwischen der Alt-EU und
den östlichen Mitgliedsstaaten gilt es enorme Zentrifugalkräfte zu
bändigen. Von der euroskeptischen Konjunktur zeugt nicht zuletzt die
unangefochtene Stellung der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid.
Seit Monaten liegt sie in allen Umfragen weit vorne. Ihr europäisches
Programm umfasst fünf Buchstaben: „Nexit“.
Frans Timmermans, einst niederländischer Außenminister und heute
Vizepräsident der EU-Kommission, sagte unlängst bei einer Lesung in
Amsterdam: „Zum ersten Mal in meinem bewussten Erleben der europäischen
Zusammenarbeit denke ich, dass sie wirklich stranden könnte.“
30 Dec 2015
## AUTOREN
DIR Tobias Müller
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