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       # taz.de -- Politische Kollateralschäden: Der Beulen-Präsident
       
       > Die Staatsanwaltschaft will gegen Christian Weber, den ersten Mann im
       > (bremischen) Staat, wegen einer nicht gemeldeten Parkrempelei ermitteln.
       
   IMG Bild: Wäscht seine Hände keineswegs in Unschuld: Bremens Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD)
       
       BREMEN taz | Auf ein Verfahren wegen Fahrerflucht muss sich
       Bürgerschafts-Präsident Christian Weber (SPD) gefasst machen. Sichtlich
       zerknirscht und sehr kurzfristig lud er gestern Nachmittag die Presse zu
       sich ins Präsidentenzimmer, um über die bevorstehende Aufhebung seiner
       Immunität als Abgeordneter zu informieren.
       
       Bereits vor elf Tagen hatte Weber beim Rückwärts-Ausparken Auf den Höfen
       den Kotflügel eines Fahrzeugs mit Essener Kennzeichen beschädigt. Er habe
       seine Adresse an die Windschutzscheibe geklemmt und sei nach Hause
       gefahren, so Weber: „Es war eine große Dummheit von mir, nicht die Polizei
       anzurufen.“
       
       „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ heißt ein solches Verhalten
       juristisch. Webers Anwalt Erich Joester hebt jedoch hervor, dass Weber
       „proaktiv gehandelt“ habe, in dem er die Adresse per Plastikfolie gegen den
       Regen geschützt habe. Zudem sei Weber sofort an den Ort des Geschehens
       zurückgeeilt, nachdem ihn sein dort wohnender Sohn über das Eintreffen der
       Polizei informiert habe. Der Sachschaden am Essener Fahrzeug wird auf 5.000
       Euro geschätzt. Webers Dienst-Mercedes, den er auch privat nutzen darf,
       weist nur geringe Spuren auf.
       
       Die Polizei hat Weber nun angezeigt, für alle weiteren Ermittlungsschritte
       muss dessen Immunität aufgehoben werden. Normalerweise landen solche
       Anträge auf dem Präsidenten-Schreibtisch – diesmal müssen sich Webers
       Stellvertreter darum kümmern.
       
       Statistisch üblich sind ein bis zwei Immunitäts-Aufhebungen pro
       Legislaturperiode. In den ersten sechs Monaten der aktuellen Legislatur
       werden es mit Weber bereits vier sein – und alle betreffen Rot-Grün: Der
       Abgeordnete und IT-Unternehmer Andreas Kottisch (SPD) stand im Fokus der
       Ermittler, weil er Mitarbeiter der Bremerhavener Stadtverwaltung ins
       Varieté eingeladen hat. Sein Fraktions-Kollege Mehmet Acar soll Steuern
       hinterzogen und Sozialabgaben für Angestellte seines Bauunternehmens nicht
       abgeführt haben.
       
       Dem grünen Parlamentarier Wilko Zicht wurde vorgeworfen, die Wirtin des
       „Verdener Eck“ im Kontext der Hooligan-Umtriebe „genötigt“ zu haben – ein
       Vorwurf, der mittlerweile vollständig zurückgenommen wurde. Schon die
       öffentlichkeitswirksame Immunitäts-Aufhebung bei Zicht hatte zu intensiven
       Debatten über die Frage geführt, ob diese als Schutz gedachte
       Sonderregelung für Volksvertreter in der Praxis nicht viel mehr eine
       Prangerwirkung entfaltet. Zicht musste mehrere Wochen damit leben, dass das
       unschöne Wort „Nötigung“ stets in Verbindung mit seinem Namen stand.
       
       Das strukturelle Problem: Beabsichtigte Verfahren gegen Abgeordnete
       erhalten große Aufmerksamkeit, noch bevor sie überhaupt begonnen haben –
       und völlig unabhängig von ihrer Relevanz. Während die CDU, die das Problem
       zumindest in jüngerer Zeit nicht am eigenen Personal durchzuexerzieren
       hatte, auf der Beibehaltung der Immunitätsregelung besteht, halten es
       wichtige SPD-Akteure wie Fraktions-Chef Björn Tschöpe für durchaus denkbar,
       die Sonderregelung generell abzuschaffen. Auch die Linkspartei stellt in
       Frage, ob die Regelung noch zeitgemäß ist.
       
       10 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Henning Bleyl
       
       ## TAGS
       
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