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       # taz.de -- Befreiungsbewegung der Westsahara: Juristischer Sieg für die Polisario
       
       > 1975 besetzte Marokko die Westsahara. Nun hat der Europäische Gerichtshof
       > deshalb das Handelsabkommen der EU mit Marokko annuliert.
       
   IMG Bild: Besetztes Gebiet: Marokkanische Polizisten patrouillieren in El Aaouin, der Hauptstadt der Westsahara.
       
       Madrid taz | Die Befreiungsbewegung der Westsahara, die Frente Polisario,
       hat einen juristischen Sieg über die Besatzungsmacht Marokko und die
       Europäische Union errungen. Der Gerichtshof der EU in Luxemburg hat das
       Freihandelsabkommen für Landwirtschafts- und Fischereiprodukte zwischen dem
       nordafrikanischen Königreich und Brüssel aus dem Jahr 2012 in der
       vergangenen Woche für ungültig erklärt.
       
       Der Vertrag schließt die seit November 1975 von Marokko völkerrechtswidrig
       besetzte, ehemalige spanische Kolonie Westsahara an der afrikanischen
       Nordwestküste, gegenüber den Kanarischen Inseln, mit ein. „Die Souveränität
       Marokkos über die Westsahara wird weder von der EU noch von deren
       Mitgliedsstaaten und auch nicht von den Vereinten Nationen anerkannt“,
       heißt es in dem Urteil, gegen das Rabat und Brüssel binnen zweier Monate
       Widerspruch einlegen können.
       
       Erstmals erkennt damit ein europäisches Gericht die Polisario als Teil des
       Konflikts an und gesteht ihr Hoheitsrechte und Interessen über das von
       Marokko besetzte Gebiet zu. Die Polisario hatte vor drei Jahren mit der
       Begründung geklagt, dass das Abkommen eine Form der „wirtschaftlichen
       Ausbeutung mit dem Ziel sei, die Struktur der sahrauischen Gesellschaft zu
       verändern“.
       
       Ein Großteil der Bevölkerung der besetzten Gebiete lebt in
       Flüchtlingslagern in der algerischen Wüste rund um Tindouf. Seit 1991
       versucht die UNO vergebens, ein Referendum in die Wege zu leiten, in dem
       die Sahrauis über Unabhängigkeit oder Anschluss an Marokko entscheiden
       können. Dies scheiterte bisher an der Haltung Rabats.
       
       ## Die EU verhält sich ignorant und skandalös
       
       Marokko erkennt den Zensus, der von der UNO erstellt wurde, nicht an. König
       Mohammed VI. will Stämme aus angrenzenden Gebieten einschreiben lassen, um
       sich so eine Mehrheit für eine promarokkanische Abstimmung zu sichern.
       Proteste in den besetzten Gebieten werden immer wieder gewaltsam
       niedergeschlagen. Wer für die Unabhängigkeit der Westsahara eintritt,
       riskiert hohe Haftstrafen oder Folter. Auch sind immer wieder politische
       Aktivisten entführt worden und einfach verschwunden.
       
       Die Polisario hat zwei weitere Klagen in Europa eingereicht. Zum einen
       gegen ein Importabkommen zwischen dem Vereinten Königreich (UK) und Marokko
       und zum anderen gegen das europäisch-marokkanische Fischereiabkommen. Das
       letzte Abkommen dieser Art stammt aus dem Jahr 2014 und sieht die Zahlung
       von 30 Millionen Euro an Marokko vor.
       
       Im Gegenzug dürfen 126 Boote in den Gewässern Marokkos und vor allem in
       denen der besetzen Westsahara fischen. Die Reeder zahlen dafür weitere 10
       Millionen Euro. 99 der 126 Boote stammen aus der ehemaligen Kolonialmacht
       Spanien. Das Land ist – so sieht es die UNO mit dem gültigen Völkerrecht in
       der Hand – bis heute Verwaltungsmacht der Westsahara, da der Landstrich
       durch die marokkanische Besetzung nie juristisch einwandfrei
       entkolonialisiert wurde. Madrid aber kehrt den Sahrauis seit Jahrzehnten
       den Rücken zu.
       
       13 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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