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       # taz.de -- Mixtape „Unzensiert“ von Haftbefehl: Wo ich herkomm‘
       
       > 2015 lief gut für Hafti. Doch statt sich vom Hype um seine Person
       > ablenken zu lassen, liefert der Rapper ein kompromissloses, hartes
       > Mixtape.
       
   IMG Bild: Haftbefehl beim Battle gegen Sido in der Essener Grugahalle am 17. Dezember.
       
       Dass „Flüchtlinge“ von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des
       Jahres 2015 gewählt wurde, sagt viel über den beherrschenden Diskurs des
       vergangenen Jahres aus. Doch eigentlich hätte auch der abgenutzte und
       regelmäßig aufgewärmte Begriff „Integration“ gepasst.
       
       Denn 2015 ging es wieder einmal um „unsere“ Werte, „unsere“ Gesellschaft,
       in die sich das Fremde, das Andere zu integrieren habe – und zwar, noch
       bevor Grundbedürfnisse wie Essen, Behausung, Hygiene der gerade
       angekommenen Mitmenschen vollständig gedeckt waren.
       
       Wer aber ist eigentlich dieses „wir“? Und kann einer wie Aykut Anhan sich
       damit identifizieren?
       
       Immerhin zählt der 1985 in Offenbach am Main geborene Rapper, der vor
       wenigen Jahren unter dem Namen Haftbefehl zum ersten Mal in die
       Öffentlichkeit trat, inzwischen zu den bedeutendsten Musikern des Landes.
       Auf der einen Seite populär genug, um von Durchschnittscomedians aus dem
       öffentlich-rechtlichen Fernsehen parodiert zu werden.
       
       Auf der anderen Seite aber so stilbewusst und konsequent, dass er, ohne
       sich vom Hype um seine Person ablenken zu lassen, zum Ende des Jahres mit
       „Unzensiert“ ein exzellentes Mixtape abliefert, das einem jede Illusion an
       ein „wir“ nehmen möchte.
       
       ## Kampfbegriff „Integration“
       
       Kompromisslos, hart, bedrohlich klingt der Sound. Die 16 Songs erzählen von
       kaputten Schicksalen im Frankfurter Bahnhofsviertel und vom Drogenticken am
       Offenbacher Marktplatz. Die Produktionen sind High End, die Sprachbilder
       roher Sozialrealismus.
       
       Auffällig häufig fällt dabei das Wort „Integration“. Dass es in der
       Lebenswelt, die „Unzensiert“ thematisiert, durchweg negativ konnotiert ist,
       wundert kaum. Anhan stammt aus einer Generation und einem sozialen Umfeld,
       die vor kaum einem Jahrzehnt immer wieder als Fallbeispiel misslungener
       Integration auf Magazintiteln und in TV-Shows herhalten durften.
       
       Klar, inzwischen heißt das Problem nicht mehr „Integrationsverweigerung“,
       sondern Radikalisierung. Und der Name Haftbefehl ist bis in die Mitte der
       Gesellschaft durchgedrungen. Doch was ändert das an dem Unbehagen, mit dem
       dieser Kampfbegriff seit jeher für Hafti und Co behaftet ist? Sehr wenig,
       so scheint es.
       
       „Dort, wo ich herkomm‘, kommt ihr nicht her“, rappt der Offenbacher an
       einer Stelle, um ein von Armut, Gewalt und Depressionen geprägtes Bild
       seiner Heimat, dem Mathildenviertel, zu zeichnen. Und um klarzumachen:
       Dieses „wir“, das seid ihr.
       
       Und wer ist Aykut Anhan? „Kanacke in Deutschland / ich bin nur Sohn meines
       Vaters“.
       
       26 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fatma Aydemir
       
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