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       # taz.de -- Nach Schlägerei am Lageso: Kritischer als die Polizei erlaubt
       
       > Im Fall der prügelnden Lageso-Security hatte der Abgeordnete Hakan Tas
       > die Polizei kritisiert. Dagegen geht Polizeipräsident Klaus Kandt jetzt
       > juristisch vor.
       
   IMG Bild: Wehrt sich per Anwältin: Polizeipräsident Klaus Kandt.
       
       Tatenlos zu- und weggeschaut habe eine Gruppe Polizeibeamter, als Ende
       Oktober Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts vor dem Landesamt vor Gesundheit
       und Soziales wartende Flüchtlinge verprügelten. So sieht es der
       Linken-Abgeordnete Hakan Tas, und so hat er es Ende November in einer
       Pressemitteilung formuliert. Auf der Website des Linkspartei-Landesverbands
       ist diese Meldung allerdings nicht mehr zu finden: Mit einer einstweiligen
       Verfügung hat Polizeipräsident Klaus Kandt dafür gesorgt, dass sie
       verschwinden musste. Der Anspruch der Polizei auf soziale Achtung werde
       damit verletzt, so die Argumentation des Polizeipräsidenten.
       
       Nun geht Kandt auch gegen den Urheber der Pressemitteilung vor. Am Dienstag
       sei eine einstweilige Verfügung gegen Hakan Tas ergangen, die ihm ebenfalls
       die Verbreitung dieser Äußerung untersagt, erklärte Polizeisprecher Thomas
       Neuendorf am Mittwoch. Tas erklärte, dagegen vorgehen zu wollen: „Ich lasse
       mir den Mund nicht verbieten“, so der Abgeordnete. Die Polizei versuche,
       Abgeordnete zu beeinflussen, und würde die Pressemitteilungen zu ihrer
       Arbeit „am liebsten Wort für Wort diktieren“.
       
       Inwiefern Tas’ Behauptung stimmt, ist schwer zu überprüfen. Auf einem der
       Videos, allerdings einem geschnittenen, sind die Beamten tatsächlich
       vollkommen reglos zu sehen; auf einem anderen kümmern sich immerhin zwei
       von ihnen um ein auf dem Boden liegendes Opfer. „Aber selbst wenn man hier
       zu verschiedenen Interpretationen kommen kann, ist das noch lange kein
       Grund für eine einstweilige Verfügung“, sagt Linken-Landeschef Klaus
       Lederer. Der Polizeipräsident habe schließlich viele Möglichkeiten, seine
       eigene Interpretation der Ereignisse öffentlich in Stellung zu bringen. So
       aber dränge sich der Eindruck auf, dass es dem Polizeipräsidenten gar nicht
       primär darum gehe, einen Sachverhalt ins richtige Licht zur rücken.
       „Offenbar soll hier ein Signal gesetzt werden in der Frage, wie stark
       Abgeordnete die Polizei kritisieren dürfen, wie viel Kritik die Polizei
       erlaubt“, sagt Lederer.
       
       Kandt erinnert mit seinem Verhalten an seinen Vorgänger Dieter Glietsch,
       der regelmäßig auf juristischem Wege Gegendarstellungen erwirkte, wenn
       Medien aus seiner Sicht falsche Berichte über die Berliner Polizei
       veröffentlicht hatten. Schluss war damit 2008, als die taz einen Prozess
       gegen Glietsch vor dem Landesverfassungsgericht gewann und damit ein
       Präzedenzfall geschaffen wurde.
       
       Das Gericht begründete damals seine Entscheidung damit, dass eine Behörde
       einer Presseveröffentlichung gegenüber nicht annähernd so wehrlos sei wie
       eine Privatperson und deswegen nur in äußerst gravierenden Fällen einen
       Anspruch auf eine solche Unterlassungserklärung habe. Keinesfalls dürfe der
       presserechtliche Schutz für Behörden dazu dienen, „sich gegen öffentliche
       Kritik abzuschirmen“. Den Anwalt Johannes Eisenberg, der die taz im
       damaligen Verfahren vertrat, hat nun auch Hakan Tas beauftragt.
       
       16 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malene Gürgen
       
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