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       # taz.de -- Kolumne Pressschlag: Eidgenosse grüßt Eidgenossen
       
       > Die „Weltwoche“ macht Sepp Blatter zum „Schweizer des Jahres“. Dieses
       > machiavellistische Experiment muss man nicht a priori verdammen.
       
   IMG Bild: Der heilige Sepp.
       
       Natürlich ist das eine Provokation. Roger Köppel, der zugleich Autor der
       Hagiographie über Sepp Blatter ist, hat den fast schon exkommunizierten
       Fußballpapst jetzt aufs Cover seiner Weltwoche gehoben. Blatter ist nach
       Meinung des konservativen Blattes „Schweizer des Jahres“. In der
       Anmoderation des Textes wird bereits deutlich, worum es Köppel geht: „Der
       79-jährige Walliser wird verkannt, sein Idealismus unterschätzt. Sein
       Erfolg beeindruckt.“
       
       Dem Autor, der nicht nur publizistisch tätig ist, sondern auch politisch
       für die nationalistische SVP im schweizerischen Nationalrat, will dem
       Mainstream der Blatter-Verächter entgegentreten und jenseits eines
       moralischen Rigorismus zu den vermeintlich wahren Werten des alten
       Fußballfunktionärs vordringen.
       
       Dieses machiavellistische Experiment muss man nicht a priori verdammen,
       denn Blatter hat den Laden der Fifa, in dem über 200 Nationalverbände ein
       und aus gehen, über Jahrzehnte als Generalsekretär und Präsident auf seine
       Art zusammengehalten, Interessen gemakelt, Allianzen geschmiedet und seine
       Machtbasis beständig erweitert. Das beeindruckt nicht nur Roger Köppel,
       sondern auch Wladimir Putin, der Blatter gestern erneut für den
       Friedensnobelpreis vorschlug.
       
       Blatter hat die Fifa vor der Pleite bewahrt und den Verband recht geschickt
       auf die Gleise der Globalisierung gestellt. Von den Millionen, später
       wurden sogar Milliarden daraus, haben viele Entwicklungsländer des Fußballs
       profitiert, vor allem in Afrika, Lateinamerika, der Karibik und Asien.
       
       Diese Gießkanne, deren Hals von Zürich aus bis nach Tuvalu reichte, machte
       den Fußballboden fruchtbar, aber sie schuf auch einen Sumpf: Günstlinge
       ließen sich bestechen. Verbandsvertreter erkannten den Wert ihrer
       Wählerstimme. Aus Fernsehrechten wurden etliche Funktionärsprivilegien
       herausdestilliert. Die Philanthropie von ehrenamtlich arbeitenden
       Fußballverwaltern blieb früh auf der Strecke. Sie ließen sich über
       Aufwandsentschädigungen und Kickback-Geschäfte gut bezahlen.
       
       Die Fifa wurde zum Funktionärsfürstentum mit einer Nivellierung globaler
       Moralstandards. Es mag Blatters Verdienst sein, so geschickt vorgegangen zu
       sein, dass er dem Griff von Justitia entschlüpfen kann, aber die
       Mitwisserschaft bei fragwürdigen Vorgängen ist wohl evident.
       
       Man darf aber nicht vergessen, dass die Fifa immer auch Kind der Zeit
       gewesen ist und Blatter nicht auf einem Leuchtturm einer irgendwie
       gearteten höheren Sportlermoral saß. Korruption, Vorteilsnahme und Filz
       waren kein Vorrecht der Fifa, international agierende Konzerne mischen
       munter mit auf einem grauen Markt.
       
       ## Illustre Gesellschaft
       
       Noch in der vergangenen Dekade dieses Jahrhunderts wurden auch deutsche
       Unternehmen wie Siemens, MAN, Daimler Benz oder Rheinmetall zu Strafen
       wegen Korruption verurteilt. Das Thema ist nicht etwa erledigt, es ist
       virulent.
       
       Das belegt auch eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst &
       Young aus dem Jahr 2014. Man befragte 2.700 Manager aus 59 Ländern. Der
       Anteil deutscher Unternehmen, in denen es in den zurückliegenden zwei
       Jahren zu einem gravierenden Betrugsfall gekommen ist – 26 Fälle wurden
       gezählt –, war vergleichsweise hoch.
       
       Die Fifa bewegt sich also in illustrer Gesellschaft. Die Weltwoche mag
       recht haben, dass man mit gesinnungsethischen Aufsätzen der Komplexität des
       sozialen Wesens Fifa und seines Anführers Sepp Blatter nicht gerecht wird.
       Sie liegt aber falsch darin, den alten Walliser aus Spaß an der Stichelei
       gegen die linksliberale Presse auf ein Podest zu heben.
       
       17 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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