URI: 
       # taz.de -- Protest gegen Flüchtlinge in Niederlanden: Steine, Dosen, Warnschüsse
       
       > Im niederländischen Geldermalsen eskaliert die Auseinandersetzung um ein
       > Flüchtlingsheim. Die Stimmung im Land scheint zu kippen.
       
   IMG Bild: Ausnahmezustand in Geldermalsen.
       
       Amsterdam taz | 14 Festnahmen, zwei leichtverletzte Polizisten, eine
       bedrohte Bürgermeisterin und der Ruf als neues Bollwerk fremdenfeindlicher
       Randale – dies war am Donnerstagmorgen die Bilanz im niederländischen
       Städtchen Geldermalsen, auf halbem Weg zwischen Utrecht und Den Bosch
       gelegen. Am Vorabend wollte der Gemeinderat über ein neues Asylbewerberheim
       diskutieren. Nach gewalttätigen Protesten von Gegnern musste die Sitzung
       jedoch kurz nach Beginn abgebrochen und das Rathaus geräumt werden.
       
       „Es war wie Krieg in Geldermalsen” – so titelte das konservative
       Nachrichtenmagazin Elsevier am Donnerstag. Die Zeitschrift, selbst durchaus
       kritisch gegenüber der Aufnahme großer Flüchtlingskontingente, bezog sich
       damit auf Schilderungen von Anwohnern. Nach Polizeiangaben hatten sich 200
       Demonstranten vor dem Rathaus versammelt.
       
       Mehrere Dutzend davon durchbrachen die Absperrungen, schrieen Parolen und
       bewarfen die Polizisten mit Feuerwerkskörpern, Steinen und Dosen. Mehrere
       Fenster des Rathauses gingen zu Bruch, Feuerwerkskörper wurden nach drinnen
       geworfen. Die Polizei schoss mehrmals zur Warnung. Erst gegen 23 Uhr war
       das Gelände geräumt.
       
       „Alle aus dem Ratssaal sind sicher”, twitterte die Bürgermeisterin Miranda
       de Vries, nachdem sie wie die anderen Gemeinderäte durch einen
       Hinterausgang aus dem Gebäude gebracht worden war. „Und dann sagen die
       Leute, sie hätten Angst vor Asylbewerbern.” Vor der geplanten Abstimmung
       war bekannt geworden, dass De Vries wegen des geplanten Asylbewerberheims
       bedroht wird.
       
       ## Kein Einzelfall
       
       Die Staatsanwaltschaft bestätigte dies, wollte aber nicht näher auf die Art
       der Drohung eingehen. De Vries ist kein Einzelfall: Laut einer Umfrage
       unter 75 niederländischen Bürgermeistern wurde jeder zehnte aufgrund seiner
       Position in der Flüchtlingsdebatte bedroht.
       
       Erst am Freitag war bekannt geworden, dass in Geldermalsen, einem Städtchen
       mit 26.000 Einwohnern, das mit 1.500 Plätzen zweitgrößte Asylbewerberheim
       der Niederlande entstehen soll. Umfang und kurzfristiger Beschluss sorgen
       seither vor Ort für Unmut. Am Montag tauchten in Geldermalsen 50
       Spruchbänder mit Protest- parolen auf. In den letzten Wochen wird in den
       Niederlanden die Forderung lauter, dass die Unterbringung von Flüchtlingen
       lokal in kleinerem Rahmen stattfinden solle.
       
       ## Proteste zunehmend aggressiv
       
       Seit Oktober werden die Proteste gegen die Flüchtlingsaufnahme zunehmend
       aggressiv. In Woerden bei Utrecht griffen Vermummte spätabends eine
       Notunterkunft mit Rauchbomben an. Es war der erste Vorfall dieser Art in
       den Niederlanden.
       
       In Steenbergen wurden Befürworter eines Asylbewerberheims bedroht, in der
       Nähe von Alkmaar gingen vor einer Gemeinderatssitzung zum Thema zwei Autos
       eines linksgrünen Lokalpolitikers in Flammen auf. Mit der Eskalation von
       Geldermalsen haben die Proteste nicht nur wegen der Warnschüsse eine neue
       Dimension erreicht.
       
       17 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
       ## TAGS
       
   DIR Niederlande
   DIR Flüchtlinge
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Fotografie
   DIR Niederlande
   DIR Islam
   DIR Niederlande
   DIR Schwerpunkt Pegida
   DIR Flüchtlinge
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Rechter Protest Niederlande: Auch die Liberalen kritisieren
       
       Die Bilder des tobenden Mobs im niederländischen Geldermalsen sind um die
       Welt gegangen. Mehr Transparenz der Regierung ist nötig.
       
   DIR Unicef-Foto des Jahres 2015: „Schiere Verzweiflung“
       
       Zwei Kinder werden an der griechisch-mazedonischen Grenze von ihren
       Angehörigen getrennt. Fotograf Georgi Licovski hält die Szene fest – und
       wird ausgezeichnet.
       
   DIR LGBT-Flüchtlinge in Holland: Streit um separate Unterkünfte
       
       Wegen Bedrohung und Diskriminierung in Asylheimen stellt Amsterdam
       gesonderte Plätze für LGBT-Flüchtlinge bereit. Das passt der Regierung
       nicht.
       
   DIR Islamfeindlichkeit in Europa: Die Macht des Ressentiments
       
       Die Angst vor einer vermeintlichen Islamisierung Europas treibt
       Rechtspopulisten die Wähler zu. Rechte Hetzblogs liefern dazu die
       Ideologie.
       
   DIR Flüchtlingsdebatte in den Niederlanden: Drohungen statt Argumente
       
       In den Niederlanden werden inzwischen Politiker jeder Partei bedroht. Die
       Grenzen zwischen Wut und Gewalt verschwimmen.
       
   DIR Pegida-Protest in den Niederlanden: Polizei schreitet in Utrecht ein
       
       Pegida-Anhänger in Utrecht gehen auf einer Demo am Sonntag die
       Gegendemonstranten an und zünden eine Rauchbombe. Zehn Menschen werden
       festgenommen.
       
   DIR Flüchtlinge in den Niederlanden: Und die Rechten profitieren
       
       Die Bevölkerung hat immer weniger Verständnis für Neuankömmlinge. Den Haag
       will die Situation durch ein Wohnungsprogramm beruhigen.