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       # taz.de -- Run auf Rechtsberatung: Überarbeitet und ausgenutzt
       
       > Arbeitnehmerkammer Bremen zieht Bilanz: 2015 haben sich besonders viele
       > ArbeitnehmerInnen zu ihren Rechten beraten lassen.
       
   IMG Bild: Vor allem Dienstleistungsberufe bedeuten oft: nicht geregelte Arbeitsverhältnisse.
       
       So viele Menschen in Rechts- und Steuerfragen beraten wie nie zuvor in
       ihrer Geschichte hat die Arbeitnehmerkammer im Jahr 2015. 42.649
       Arbeitsrechtsberatungen haben die BeraterInnen in Bremen, Bremen-Nord und
       Bremerhaven durchgeführt. Das „Top-Thema“ seien Fragen zu Lohn und Gehalt
       gewesen, sagte am Dienstag Kammer-Geschäftsführer Ingo Schierenbeck. Seine
       Erklärung: „Die Tarifbindung nimmt ab, dadurch gibt es immer mehr
       Einzellösungen, die als ungerecht empfunden werden, es fehlt an Transparenz
       und Automatismen beispielsweise bei der Gehaltserhöhung.“
       
       Viele Konflikte entstünden auch durch einerseits steigende Anforderungen
       und andererseits deutlich erhöhte Erwartungen an Flexibilität, so
       Schierenbeck. Ständig wechselnden Arbeitszeiten und neuen Strukturen seien
       viele ArbeitnehmerInnen nicht gewachsen. Vor allem Ältere oder Menschen mit
       gesundheitlichen Einschränkungen gerieten so unter Druck, dass sie
       letztendlich ihren Arbeitsplatz verlieren.
       
       Denn auch die Beratungen zum Thema Kündigungen hätten auffallend
       zugenommen, sagte Schierenbeck. Verantwortlich dafür sei ausgerechnet die
       gute wirtschaftliche Lage, schilderte der Leiter der Kammer-Rechtsberatung
       Sven Thora. Von der würden nämlich vor allem hochqualifizierte Menschen
       profitieren. Die anderen eher nicht: „Wenn die Auftragsbücher voll sind,
       dann stellen viele Betriebe im produzierenden Gewerbe von zwei auf drei
       Schichten um.“ Doch viele Menschen verkraften Nachtarbeit und
       Wechselschicht nicht auf Dauer. Je mehr sie wegen Krankheit oder
       Erschöpfung fehlten, desto größer würden die Konflikte im Betrieb, was
       wiederum Fehlzeiten provoziere, so Thora. Der Teufelskreis ende meist erst
       damit, dass jemand freiwillig kündige oder entlassen werde. „Dahinter muss
       nicht immer böse Absicht des Arbeitgebers stecken.“ Oft komme die
       Erkenntnis, dass es sich letztendlich lohnt, erfahrene Arbeitnehmer zu
       halten, erst sehr spät.
       
       Die zweite Branche – neben dem produzierenden Gewerbe –, aus der besonders
       viele Anfragen kamen, seien Jobs in der Pflege und Gesundheit gewesen.
       Schuld sei auch hier, so Thora, zu viel Arbeit und zu wenig Beschäftigte.
       Er schilderte das Beispiel einer Frau, die eigentlich eine
       25-Stunden-Stelle hatte, aber ständig an ihren freien Tagen angerufen
       wurde, um Lücken zu füllen. Auch sie konnte das Problem letztendlich nicht
       anders lösen als durch einen Job-Wechsel.
       
       Frauen, sagte Schierenbeck, würden überdurchschnittlich oft in die Beratung
       kommen. Im Jahr 2015 fanden 24.796 Beratungen mit Frauen statt und 17.853
       mit Männern. „Das liegt daran, dass Frauen oft in Dienstleistungsberufen
       arbeiten und damit in nicht geregelten Arbeitsverhältnissen.“
       
       Helfen könne hier, wenn es leichter werde, geschlossene Tarifverträge auf
       eine ganze Branche auszuweiten. Seine zweite Forderung: „Wir müssen
       dringend dem Befristungsunwesen Einhalt gebieten.“ Zu viele Stellen würden
       nur noch befristet besetzt, Beschäftigte fühlten sich daher dauerhaft in
       der Probezeit.
       
       Seltener als erwartet hat die Arbeitnehmerkammer im vergangenen Jahr zum
       Thema Mindestlohn beraten – und das, obwohl er 2015 erst eingeführt wurde.
       Ein Dauerbrenner bleiben dafür Fragen zum Thema Elternzeit, die es seit 15
       Jahren gibt. 1.582 Mal hat die Arbeitnehmerkammer dazu beraten, von den
       hier Hilfesuchenden waren 1.364 Frauen.
       
       5 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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