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       # taz.de -- Elitäre Elbphilharmonie: Vielleicht doch kein Haus für alle
       
       > Hamburgs Senat bricht vielleicht auch das letzte
       > Elbphilharmonie-Versprechen: Die „für alle“ gedachte Plaza könnte ab
       > Mitte 2018 Eintritt kosten.
       
   IMG Bild: Ganz schön unpraktisch: elegant gewelltes Elbphilharmonie-Dach.
       
       HAMBURG taz | Es sollte ein Paradebeispiel volksnahen Bauens werden.
       Steingewordene Demokratie sozusagen: Vom ersten Tag an haben Hamburgs
       Politiker die dortige Elbphilharmonie nimmermüd als „Haus für alle“
       gepriesen, auch wenn der forsche Slogan angesichts verzehnfachter Kosten
       und neunjähriger Bauzeit zuletzt immer beschwörender wurde. Denn das
       Vertrauen in Planungs- und Finanzierungskompetenz der Politik ist weg, und
       jetzt droht auch der letzte Trost zu schwinden: die öffentliche
       Zugänglichkeit der Plaza.
       
       Die soll im November 2016 eröffnet werden und das architektonische
       Bindeglied zwischen dem 1963er Kaispeicher Werner Kallmorgens und dem
       Glasbau der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron bilden. Denn die am
       11. Januar 2017 offiziell zu eröffnende Elbphilharmonie sitzt als ja
       „Parasitenbau“ auf dem einstigen Kakao-Speicher und gibt den Blick über den
       Hamburger Hafen frei.
       
       Genießen soll man ihn von jener 37 Meter hohen Plaza aus. Rund 3.200 Meter
       ist sie groß und soll, so die Vision, für jeden begehbar sein – egal, ob er
       eine Konzertkarte hat oder nicht. Als „Hauptattraktion für Touristen und
       Einheimische“ wurde die Plaza gar promotet.
       
       Das war auch bitter nötig, denn weder die teuren Wohnungen noch das
       Luxus-Hotel, die den größten Teil des Baus einnehmen, wird sich der
       Durchschnittsbürger leisten können. Da soll Hamburgs Steuerzahler
       wenigstens kostenlos auf seine geliebte Vaterstadt schauen können, nachdem
       er die Elbphilharmonie mit fast 800 Millionen Euro gesponsert hat.
       
       Soweit die Theorie. In der Praxis war längst klar, dass die
       Elbphilharmonie-Plaza, die unter dem Konzertsaal sowie einmal um den
       Gebäudekomplex herumführt, nur 1.400 Menschen bequem fasst. Und dass man
       dies durch Tickets für bestimmte Zeitfenster und Drehkreuze würde
       kontrollieren müssen.
       
       Nur hatte es bisher immer so geklungen, als solle das kostenlos möglich
       sein. Das steht jetzt in Frage: Von vornherein werden im Internet gebuchte
       Karten – ein interessanter Anti-Trend – mehr kosten als die vor Ort
       gekauften. Damit will die Kulturbehörde den Internet-Handel unterbinden,
       den es mit den Karten für Baustellenführungen gegeben habe. Eine „geringe
       Vorverkaufsgebühr von voraussichtlich zwei Euro“ will man laut
       Kulturbehördensprecher Enno Isermann berechnen.
       
       Das will man sich anderthalb Jahre lang ansehen und dann entscheiden, ob ab
       Mitte 2018 auch spontane Vor-Ort-Tickets kostenpflichtig werden, zwecks
       Besuchersteuerung. Die Zugänglichkeit für alle wäre damit erledigt – und
       das, obwohl Hamburgs SPD-Fraktionschef Andreas Dressel jüngst versicherte,
       man wolle die Hamburger „mit der Elbphilharmonie versöhnen“, schließlich
       hätten sie dafür „schon genug geblecht“. Abgesehen davon ist fraglich, ob
       ein Eintritt den Ansturm wirklich bremsen kann.
       
       Diese Menschenmassen könnten auch bei einer Evakuierung zum Problem werden:
       Denn im Ernstfall müssen nicht nur jene 1.400 Plaza-Spaziergänger das
       Gebäude verlassen. Einzurechnen wären auch die Besucher zweier Konzertsäle
       à 2.150 und 550 Menschen samt Musikern und Betriebspersonal – sowie die
       Bewohner des 224-Zimmer-Hotels und der 45 Wohnungen. Insgesamt wären damit
       rund 5.000 Menschen zu evakuieren.
       
       Doch in welcher Abfolge sie über die – vielleicht nutzbare – Rolltreppe,
       elf Fluchttreppenhäuser und vier Feuerwehraufzüge geschleust werden sollen,
       bleibt vage. Zwar sagt Behördensprecher Isermann, das Gebäude sei auch
       brandschutztechnisch in drei unabhängige Bereiche eingeteilt – Konzertsäle,
       Hotel, Wohnungen. „Sollte in einem dieser Bereiche ein Feuer ausbrechen,
       wären die anderen Bereiche zunächst nicht betroffen, sodass man sich bei
       der Evakuierung zunächst auf den einen Bereich konzentrieren könnte“, sagt
       Isermann.
       
       Was aber, wenn sich das Feuer nicht an diese Unterteilung hält? Wird man
       die Bewohner von Luxushotel und Exklusiv-Wohnungen dann vor dem „Fußvolk“
       auf der Plaza evakuieren? Im Zwei-Klassen-Modus wie einst auf der
       „Titanic“?
       
       „Die Abgänge sind für rund 10.000 Personen ausgelegt“, sagt Isermann. Das
       seien „deutlich mehr, als wir je in das Gebäude lassen werden“. Auch
       Hamburgs Feuer- und Baupolizei sieht kein Problem. Sie hat die
       Elbphilharmonie bereits abgenommen.
       
       5 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
       
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