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       # taz.de -- Bilanz nach einem Jahr Mindestlohn: Ungelernte verdienen mehr
       
       > Gewerkschaften werten den Mindestlohn als Erfolg. Der prophezeite
       > Einbruch ganzer Niedriglohnbranchen blieb aus – das muss selbst die
       > Handelskammer zugeben.
       
   IMG Bild: Schneiden noch: Der prophezeite Niedergang des Friseurhandwerks ist ausgeblieben.
       
       HAMBURG taz | Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro ist für den
       Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Hamburg ein voller Erfolg. „Allen
       Mies- und Angstmachern zum Trotz: Es gibt einen erheblichen
       Beschäftigtenzuwachs, gerade in den von Mindestlohn besonders betroffenen
       Branchen“, sagte Hamburgs DGB-Chefin Katja Karger am Donnerstag bei der
       Präsentation einer Studie zu einem Jahr Mindestlohn in Hamburg. Während die
       Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen insgesamt um 23.793
       (2,6 Prozent) gestiegen ist, lag die Steigerungsrate im Hotel- und
       Gaststättengewerbe bei 7,4 Prozent und im Logistikbereich immerhin bei 2,5
       Prozent.
       
       Trotz aller Unkenrufen seien branchenspezifische Einbrüche, wie etwa für
       das Friseurhandwerk prophezeit, nicht eingetreten, sagte Karger. „Es gibt
       auch keinen Zuwachs an Insolvenzen.“ Ein Lohnplus von 2,5 Prozent konnten
       vor allem Ungelernte in sozialversicherungspflichtigen Voll- und
       Teilzeitstellen verzeichnen. „Im Gastgewerbe stiegen die Löhne von
       Ungelernten spürbar um 4,9 Prozent, besonders Frauen konnten von der
       Einführung des Mindestlohn mit 6,2 Prozent profitieren“, rechnete Karger
       vor. Die Beschäftigten in Hamburg profitierten im bundesweiten Vergleich am
       stärksten vom Mindestlohn.
       
       Nach anfänglichen Tricksereien wurde der Mindestlohn wohl gut angenommen.
       „Viele und grobe Verstöße haben wir bei unseren Kontrollen bislang nicht
       feststellen können“, sagte Michael Klauer von der Finanzkontrolle des
       Hauptzollamtes Hamburg, das in Betrieben für die Einhaltung des
       Mindestlohnes zuständig ist. Bis Juni vorigen Jahres wurden rund 4.000
       Personenkontrollen durchgeführt und 400 Mal Geschäftsunterlagen
       durchstöbert. „Wir merken bei den Prüfungen, dass der gesetzliche
       Mindestlohn gerade im Niedriglohnsektor Wirkung zeigt“, sagte Klauer.
       
       In einigen Branchen der Metropolregion Hamburg versuchen die Betriebe
       jedoch, den Mindestlohn durch Arbeitsverdichtung zu kompensieren und zu
       umschiffen, in dem Pauschalvergütungen vereinbart werden, berichtete
       Rüdiger Winter, von der DGB-Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit. So
       gebe es im Hotelgewerbe Vorgaben, acht bis zwölf Zimmer pro Stunde reinigen
       zu müssen oder es gebe Vereinbarungen in Hafenlogistik-Unternehmen, für
       fünf Euro einen Container zu entladen. „In der Regel wird dann die
       Dokumentation der Arbeitszeit manipuliert“, sagte Winter. Betroffen seien
       oft europäische WanderarbeiterInnen von Subunternehmen mit Werkverträgen,
       die auch schon mal vorab Blanko-Dokumente ihrer Arbeitsleistung
       unterschreiben müssten. „Es wird die Unkenntnis der Menschen von Rechtslage
       und Tarifstrukturen ausgenutzt“, konstatierte Winter.
       
       Handelskammer-Sprecher Dirck Süß teilt die Euphorie des DGB zwar nicht,
       räumt aber ein, dass der Mindestlohn für die Hamburger Betriebe eine
       „ökonomisch überschaubare Belastung“ sei. Indes setzt sich DGB-Chefin
       Karger weiter für die Abschaffung von Ausnahmen ein. Dass
       Langzeitarbeitslose dadurch besser integriert werden konnten, sei falsch,
       sagte Karger. „Es brachte nichts und führte nur zur weiteren
       Stigmatisierung.“
       
       8 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai von Appen
       
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