# taz.de -- Bremer Mahnmal für „Arisierungs“-Profite: Vom Crowdfunding zum offenen Wettbewerb
> Die taz sucht Ideen und Entwürfe für ein „Arisierungs“-Denkmal an der
> Weser. Auf dem Gelände will auch die Firma Kühne+Nagel bauen, die einst
> jüdischen Besitz „verwertete“.
IMG Bild: Diesen baumbestandenen Platz an der Weser will Kühne+Nagel bebauen – die taz will dort ein „Arisierungs“-Mahnmal errichten und sucht dafür nach Ideen und Entwürfen
BREMEN taz | Die taz hat der Stadt Bremen ein förmliches Kaufangebot
unterbreitet: Sie will vier Quadratmeter am Weserufer kaufen – auf einem
Gelände, das auch der weltweit drittgrößte Logstikkonzern, Kühne+Nagel,
erwerben will, um dort seinen Stammsitz neu zu errichten. Kühne+Nagel war
[1][Monopolist beim Abtransport des Besitzes der aus Westeuropa
deportierten jüdischen Bevölkerung]. Die taz will die vier Quadratmeter
daher als Grundfläche für ein „Arisierungs“-Denkmal erwerben.
Mit 2.000 Euro pro Quadratmeter bietet die taz der Stadt Bremen nun mehr
als das Doppelte dessen, was Kühne+Nagel pro Quadratmeter bezahlen soll.
Mehr noch: Die taz-Geschäftsführung betont in ihrem Angebot gegenüber den
zuständigen senatorischen Stellen: „Sollten Ihnen höhere Angebote Dritter
vorgelegt werden, bitten wir um Nachricht, um eine entsprechende Erhöhung
unseres Angebots erwägen zu können.“ Möglich ist das auf Grund [2][der
großen Unterstützung des Crowdfunding-Aufrufs], den die taz unter dem Motto
„Vier Quadratmeter Wahrheit“ kurz vor Weihnachten startete und der bereits
über 25.000 Euro einbrachte.
Die taz will mit ihrer Crowdfunding-Aktion auf Zweierlei hinweisen: Darauf,
dass es sich ein großes international agierendes Unternehmen auch heute
noch leistet, substantielle Teile seiner NS-Vergangenheit unter den Tisch
zu kehren – und darauf, dass die Stadt Bremen einen [3][öffentlichen Platz
zum Dumping-Preis privatisiert].
Während es Mehrheitsaktionär Klaus-Michael Kühne kategorisch ablehnt, für
seinen Neubau, der prominent am Altstadt-Eingang stehen soll, [4][einen
Architektur-Wettbewerb zuzulassen], macht die taz nun eine offene
Ausschreibung: Gesucht werden gestalterische Ansätze für das
„Arisierungs“-Denkmal. Kann man den Abtransport von fast 70.000
Wohnungseinrichtungen bildlich fassen? Wie die Erosion von Empathie und
Menschenwürde, die weit verbreitete Diffusion von Verantwortung darstellen?
Denn die von Kühne+Nagel zu den „Judenauktionen“ transportierten
Besitztümer der Deportierten „geistern“ noch heute als Erbstücke durch
viele deutsche Familien.
Bei Kühne+Nagel sind Familien- und Firmengeschichte eng mit einander
verwoben: Klaus-Michael Kühne müsste aus dem Schatten von Vater und Onkel
treten, um die Geschichte seiner Firma in der NS-Zeit kritisch und
gründlich aufzuarbeiten. Zu Beginn seines [5][eben zu Ende gegangenen
Jubiläumsjahres] erklärte das Unternehmen, seinen Aktivitäten im „Dritten
Reich“ habe es „an Relevanz gemangelt“ – obwohl die taz das Unternehmen da
längst auf detailliertes Quellenmaterial hingewiesen hatte.
Im Laufe des Jahres machte Kühne+Nagel angesichts der Veröffentlichungen
scheibchenartige Eingeständnisse – weigert sich aber noch immer,
Historikern Einblick in die damaligen Firmenakten zu gewähren. Wie also
kann man der Selektivität von Erinnerung, als Thema, das weit über den
speziellen Casus Kühne hinausweist, Gestalt geben?
Um diese Fragen zu beantworten, zieht die taz Fachleute hinzu: Der
Wettbewerbs-Jury werden Experten aus politischer Bildung und Kunst
angehören wie zum Beispiel Arie Hartog als Direktor des Bremer
Marcks-Hauses und Marcus Meyer, wissenschaftlicher Leiter des Denkorts
Bunker „Valentin“.
Für das Denkmal stehen die Mittel zur Verfügung, die die taz derzeit
sammelt, abzüglich der Grunderwerbskosten. Naturgemäß gibt es einen
Realiserungsvorbehalt: Die taz muss kaufen dürfen, die Gremien müssen
zustimmen. Dieser Prozess wird nun weiter befördert: mit vielfältigen
Entwürfen dessen, was sein könnte. Damit der öffentliche Platz vor
Kühne+Nagel mehr bleibt als ein Baugrundstück für eine noch größere
Firmen-Repräsentanz.
8 Jan 2016
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## AUTOREN
DIR Henning Bleyl
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