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       # taz.de -- Kommentar Awacs in der Türkei: Dies ist kein Routineeinsatz
       
       > Ein Mandat dürfte die Regierung leicht bekommen. Durch den Awacs-Einsatz
       > könnte sich aber ein Konflikt mit Russland entwickeln.
       
   IMG Bild: Da fliegt er hin, der Aufklärer. Mit oder ohne Bundestagsmandat?
       
       Karlsruhe taz | Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Sie kann im
       Ausland nur dann bei bewaffneten Unternehmungen eingesetzt werden, wenn der
       Bundestag vorher zustimmt. Das gilt auch, wenn deutsche Soldaten in
       integrierten Nato-Einheiten eingesetzt werden, wie bei den
       AWACS-Aufklärungsflugzeugen, die jetzt in die Türkei verlegt werden sollen.
       
       Es kommt dabei nicht auf eine offensive Ausrichtung des Einsatzes an. Es
       genügt, dass eine konkrete Gefahr besteht, dass deutsche Soldaten in
       bewaffnete Auseinandersetzungen einbezogen werden. Das gilt gerade auch für
       den defensiven Einsatz von Awacs-Fliegern, wie das Bundesverfassungsgericht
       schon 2008 entschieden hat.
       
       Man kann die damalige Situation allerdings nicht einfach mit der heutigen
       gleichsetzen, auch wenn es beide Male um Einsätze in der Türkei ging. Der
       Awacs-Einsatz 2003, über den Karlsruhe fünf Jahre später entschied, sollte
       die Türkei gegen konkret angedrohte Angriffe des Irak unter Saddam Hussein
       verteidigen helfen. Dagegen sind die Drohungen Russlands gegen die Türkei
       bislang eher vage. Die Türkei werde den Abschuss eines russischen
       Kampfflugzeugs noch „bereuen“, sagte Wladimir Putin Anfang Dezember. Es ist
       nicht anzunehmen, dass nun unmittelbar militärische Vergeltungsschläge
       Russlands gegen die Türkei drohen.
       
       Aber was passiert, wenn per Awacs eine neue Luftraumverletzung durch
       russische Jets festgestellt wird? Oder wenn Awacs erkennt, dass russische
       Bomber turkmenische Dörfer angreifen? Will man dies der Türkei
       verheimlichen oder erst drei Wochen später mitteilen, damit nicht erneut
       sofort geschossen wird?
       
       Leider ist den beiden Macho-Staatsmännern Putin und Erdoğan auch jede
       brandgefährliche Eskalation zuzutrauen, zumal sich die Interessenlage in
       Syrien schnell ändern oder zuspitzen kann. „Gerade in politisch und
       militärisch instabilen Regionen bedarf es häufig nur eines geringen
       Anlasses, um eine eskalierende Konfliktdynamik in Gang zu setzen“, betonte
       das Bundesverfassungsgericht im September mit Blick auf einen
       Bundeswehreinsatz in Libyen. Auch dort verlangte Karlsruhe ein
       Bundestagsmandat, obwohl es nur um die Evakuierung europäischer Bürger
       ging.
       
       ## Falsche Rücksichtnahme
       
       Die Bundesregierung wäre also auf der sicheren Seite, wenn sie sich für den
       Awacs-Einsatz deutscher Soldaten in der Türkei ein Mandat des Bundestags
       holen würde. Angesichts der Mehrheit der Großen Koalition müsste sie dabei
       nicht einmal zittern.
       
       Wenn die Regierung aber doch auf ein Mandat verzichtet, dürfte dies eher
       daran liegen, dass sie über die Hintergründe des Awacs-Einsatzes – den
       Konflikt zwischen der Türkei und Russland – am liebsten gar nicht sprechen
       würde.
       
       Diese diplomatische Rücksichtnahme ist hier aber fehl am Platz. Der
       Bundestags-Vorbehalt bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr soll ja gerade
       verhindern, dass Deutschland ohne Kenntnis der Risiken unversehens in einen
       militärischen Konflikt schlittert. Der Grundgedanke des
       Parlamentsvorbehalts spricht deshalb dafür, ihn auch hier anzuwenden. Die
       Bundesregierung muss also alle Gründe für den Militäreinsatz offenlegen,
       ebenso alle Risiken – damit die Öffentlichkeit informiert ist und der
       Bundestag eine zumindest verantwortungsvolle Entscheidung treffen kann. Der
       Einsatz in der Türkei ist eindeutig kein Routineeinsatz.
       
       Anmerkung: Der Autor hat am 28. 12. um 13 Uhr einen neuen vierten Absatz
       eingefügt.
       
       28 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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