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       # taz.de -- Vorwürfe gegen Bundeskriminalamt: Eine Polizistin im Zwielicht
       
       > Die Polizistin Tania Kambouri behauptet, das BKA verschweige Kriminalität
       > unter Flüchtlingen. Sie hat sich den Ärger ihrer Kollegen zugezogen.
       
   IMG Bild: Nimmt ihr Beamten-Dienstrecht nicht ernst: Bestseller-Autorin Tania Kambouri.
       
       BERLIN taz | Mit negativen Pauschalurteilen über Muslime lässt sich Kasse
       machen. Das hat auch die Bochumer Streifenpolizistin Tania Kambouri
       verstanden. In ihrem Buch „Deutschland im Blaulicht“, das Anfang Oktober
       erschien, klagt die griechischstämmige Beamtin über junge muslimische
       Männer, die angeblich keinen Respekt vor Polizisten hätten. Sie traf damit
       einen Nerv: ihr Buch verkaufte sich aus dem Stand über 120.000 Mal und
       stand wochenlang an der Spitze der Bestsellerlisten, die junge Polizistin
       wurde in zahlreiche politische Talkshows eingeladen.
       
       Doch nun hat sich Kambouri mit ihren Kollegen angelegt - und deswegen
       Ärger. Kurz vor Weihnachten warf die 32-jährige in einem Interview mit den
       Stuttgarter Nachrichten dem Bundeskriminalamt (BKA) vor, Statistiken zur
       Kriminalität unter Flüchtlingen zu fälschen.
       
       Die wahren Zahlen würden nicht veröffentlicht, weil das „politisch nicht
       gewollt“ sei, gab sie rechten Verschwörungstheoretikern Futter. „Ich denke
       auch, dass viele Beamte in führenden Positionen von der Politik gesteuert
       oder wenigstens beeinflusst werden“, sagte sie wörtlich über die
       Sicherheitsbehörden. „Doch wer die Wahrheit bei diesem Thema sagt, wird
       schnell in die Nazi-Ecke gestellt.
       
       Tania Kambouri hat ihre ganz eigenen Wahrheiten. Mal fordert sie die
       Rückkehr zu Grenzkontrollen, mal eine Kindergartenpflicht für Migranten,
       ein anderes Mal, straffälligen Flüchtlingen das Bleiberecht zu entziehen.
       Auf einer Veranstaltung des Saarländischen Rundfunks klagte sie erst
       kürzlich über „importierte Kriminalität“ und die Ausbreitung von
       „No-Go-Areas“ in Einwanderervierteln.
       
       Damit widersprach sie Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD),
       der erklärt hatte, dass es in seinem Land keine „No-Go-Areas“ gebe.
       Außerdem behauptete Kambouri, in manchen Flüchtlingsunterkünften würden
       Kinder prostituiert. „Irgendwann wird es ans Tageslicht kommen, und dann
       gibt es einen großen Knall“, zitierte sie die Welt.
       
       ## In der Kritik wegen Pauschalisierung
       
       Das BKA hat erst im November Zahlen veröffentlicht, wonach es keinen
       überproportionalen Anstieg der Kriminalität durch Flüchtlinge gegeben habe.
       Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte bei der Vorstellung, „dass
       Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie
       Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung“. De Maizère wollte darin
       Gerüchten entgegen treten, wie sie dutzendfach in den sozialen Netzwerken
       kursieren, wonach Flüchtlinge klauen, betrügen und vergewaltigen. Der
       Innenminister warnte vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge, doch
       Kambouri befeuert ihn.
       
       Das Bundeskriminalamt hat ihre Behauptung zurück gewiesen, seine
       Statistiken zur Kriminalität unter Flüchtlingen würden geschönt, um keine
       Ängste zu schüren. Doch manchen Kollegen reicht das nicht aus, für sie ist
       das Fass jetzt übergelaufen. Denn Kambouri war schon zuvor wegen ihrer
       pauschalisierenden Äußerungen über Muslime in die Kritik geraten.
       
       Der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz,
       hält schon die Aussagen in ihrem Buch für „wenig reflektiert, nur bedingt
       sachlich und tendenziös, im Ergebnis grenzwertig“. Nach ihren jüngsten
       Interview-Äußerungen fragte er auf seiner Facebook-Seite: „Wer steuert und
       instrumentalisiert die Kollegin eigentlich die ganze Zeit?“
       
       Schulz verweist auf „die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums,
       das öffentliche Dienst- und Treueverhältnis, die unparteiische Amtsführung,
       die Neutralitätspflicht und einiges mehr“ und fragt: „Wo sind ihre
       Vorgesetzten? Wer nimmt sie an die Hand und schützt sie vor sich selbst?“
       Und: „Wann gibt es eigentlich das erste Disziplinarverfahren“?
       
       ## Ermahnung zur Zurückhaltung
       
       Auch Irene Mihalic, die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, ist
       empört: „Das ist in höchstem Maße unprofessionell und noch dazu illegal“,
       erklärte sie am Mittwoch, ebenfalls auf Facebook. Niemand stelle Tania
       Kambouris persönliche Erfahrungen in Frage. Ähnliche Dinge habe sie in
       ihrer 20jährigen Dienstzeit sehr häufig erlebt und erlebe sie immer noch,
       so Mihalic, die selbst Polizistin ist.
       
       Das Problem sei erstens, dass Tania Kambouri „schlechtes Benehmen“ und
       Respektlosigkeit mit Gewalt und Kriminalität gleichsetze, zweitens ihre
       persönlichen Erfahrungen, die sie in Bochum gemacht habe, für
       allgemeingültig erkläre und über jede wissenschaftliche Erkenntnis stelle,
       und dass sie drittens bei allem „nicht als Privatperson“ auftrete, sondern
       als Polizeibeamtin - auf ihrem Buchcover posiert die Autorin sogar in
       Uniform. „Eine Polizistin ist allen Bürgern gleichermaßen verpflichtet. Sie
       muss daher den Eindruck vermeiden, einer Bevölkerungsgruppe gegenüber
       voreingenommen zu sein“, sagte Mihalic der taz. Mit ihren fragwürdigen
       Einlassungen begehe Tania Kambouri „gleich mehrere Dienstvergehen“.
       
       Eigentlich wäre das ein Fall für Nordrhein-Westfalens Innenminister Jäger
       (SPD). Doch beim Innenministerium in Düsseldorf verweist man auf die
       „zuständige personalführende Stelle“, das Polizeipräsidium in Bochum. Dort
       erklärte man am Mittwoch auf Nachfrage der taz: „Frau Kambouri wurde in
       einem vertrauensvollen Gespräch durch Vorgesetzte darauf hingewiesen, dass
       sie sich künftig zu dienstlichen Themen zurückhaltender äußern soll. Nach
       diesem einvernehmlichen Gespräch sind keine dienstlichen Maßnahmen
       erforderlich.“
       
       Tania Kambouri selbst hat ihre Äußerungen über die angeblich gefälschte
       BKA-Statistik gegenüber der Welt inzwischen als „unglücklich“ bezeichnet.
       Eine darüber hinausgehende Stellungnahme von ihr war bisher aber nicht zu
       erhalten - auch nicht über ihren Verlag. Sie sei „im Dienst“ und darum für
       Medienanfragen nicht erreichbar, hieß es dort.
       
       31 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
       ## TAGS
       
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