# taz.de -- Bremer Arbeitsmarkt: Erfolg durch Mindestlohn: Ein Vorreiter gibt auf
> Wenn es um den Mindestlohn geht, klopft sich Rot-Grün auf die Brust – und
> will sich angesichts der Erfolge nun „vom Acker machen“, wie Die Linke
> kritisiert
IMG Bild: Der zoll hat zu wenig Leute für Kontrollen – dabei wird in der Gastronomie oft geschummelt
Bremen taz | Ein Jahr nach Einführung des bundesweiten Mindestlohns von
8,50 Euro zieht der Senat eine positive Bilanz. Auch der Deutsche
Gewerkschaftsbund (DGB) spricht von einer „Erfolgsgeschichte“ in Bremen.
Umso bedauerlicher“ ist es, „dass sich Rot-Grün jetzt vom Acker machen
will“, kritisiert Die Linke.
Die Landesregierung habe „ein lange verfolgtes politisches Ziel erreicht
und eine große Gerechtigkeitslücke geschlossen“, heißt es stolz in einer
Senatsantwort auf eine große Anfrage der Linkspartei. Auch im
Koalitionsvertrag steht das so drin. Nun bestehe aber „kein Bedürfnis“ mehr
nach einer Fortentwicklung des seit 2012 geltenden Landesmindestlohns,
findet Rot-Grün. Der wurde zuletzt 2014 angehoben, um 30 Cent auf heute
8,80 Euro. Dabei soll es auch bleiben, sagt Rot-Grün – bis es gelingt, ein
bundesweit einheitliches Niveau festzulegen, „ohne die bremischen Standards
zu gefährden“.
„Das finde ich falsch“, sagt Claudia Bernhard, die arbeitsmarktpolitische
Sprecherin der Linksfraktion – gerade weil der Mindestlohn in Bremen etwas
gebracht habe. Besonders in mindestlohnsensiblen Bereichen, so der DGB, gab
es 2015 für die Beschäftigten deutliche Gehaltssteigerungen. Im Gastgewerbe
stiegen die Löhne um 4,9 Prozent, bei den „sonstigen Dienstleistungen“, zu
denen auch Callcenter und Wachdienste gehören, um vier Prozent. In beiden
Branchen habe auch die Beschäftigung deutlich zugenommen.
Überhaupt ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Arbeitenden in
Bremen 2015 gestiegen, um 5.400 Personen oder 1,7 Prozent im Vergleich zum
Vorjahr. Die Zahl der „AufstockerInnen“, die trotz Job auch noch Geld vom
Amt bekommen, hat laut Senat dagegen abgenommen, jedenfalls geringfügig.
Dennoch gibt es immer noch mehr als 19.000 AufstockerInnen in Bremen.
„Bremen kann es sich gar nicht leisten, auszusteigen“, findet Bernhard. Die
Zahl der ungelernten Kräfte und LeiharbeiterInnen sei weiterhin „exorbitant
hoch“, der Anteil der Betriebe, die einen Haus- oder Branchentarifvertrag
haben, dagegen rückläufig: 2014 war laut Senat nur noch jeder vierte Bremer
Betrieb tariflich gebunden – Tendenz: sinkend.
Zudem gilt der Landesmindestlohn erst einmal nicht in jenen
Aktiengesellschaften, an denen Bremen zwar einen Anteil, aber nicht die
Mehrheit inne hat. Und dann gibt es auch noch Altverträge, für die der
Mindestlohn noch nicht gilt: 2013 waren das 32 Verträge mit einem Volumen
von mehr als 5.000 Euro. Mehr als ein Drittel von ihnen war befristet und
wurde, wenn verlängert, auch angepasst.
Und nicht jeder, der einen Mindestlohn zahlen müsste, tut das auch, moniert
der DGB. So werde Mehrarbeit teilweise nicht bezahlt, Zuschläge und
Trinkgeld würden angerechnet, Bereitschaftsdienste oder Wartezeiten bei
Taxis sowie Ladezeiten von Lkw-Fahrern nicht als Arbeitszeit gewertet.
Die Gewerkschaft fordert deshalb eine Ausdehnung des
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes auf das Bäckerei- und Fleischerhandwerk
sowie den Einzelhandel. Die Finanzkontrolle beim Zoll müsse um mehr als die
für 2019 geplanten 1.600 Stellen aufgestockt werden, auch der Prüfdienst
der Rentenversicherung brauche mehr Personal, fordert der DGB.
11 Jan 2016
## AUTOREN
DIR Jan Zier
## TAGS
DIR Bremen
DIR Arbeitsmarkt
DIR Mindestlohn
DIR Arbeitnehmer
DIR Arbeitsmarkt
DIR Tarifvertrag
DIR Selbständigkeit
DIR Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Run auf Rechtsberatung: Überarbeitet und ausgenutzt
Arbeitnehmerkammer Bremen zieht Bilanz: 2015 haben sich besonders viele
ArbeitnehmerInnen zu ihren Rechten beraten lassen.
DIR Sprung in den Ersten Arbeitsmarkt: Raus aus der Werkstatt
Der erste Durchgang einer neuen Qualifizierung für behinderte Menschen
eröffnet sechs BremerInnen den Weg in den regulären Arbeitsmarkt.
DIR Referentin für Gesundheitspolitik über Altenpflege-Tarifvertrag: „Pflege konkurriert mit Handel“
Tarifvertrag für Altenpflege-Azubis soll in Bremen allgemeinverbindlich
werden – um Anschluss ans Lohnniveau der Krankenpflege zu halten.
DIR Selbstständige in Deutschland: Gerne auch mit Hartz IV
Weil das Geld nicht reicht, stocken immer mehr Selbstständige auf. Wer ganz
auf sich allein gestellt ist, hat ein besonders geringes Einkommen.
DIR Inklusion in der Ausbildung: „Viele fallen durchs Raster“
Das neue Ausbildungsjahr hat begonnen. Ein Gespräch über beeinträchtigte
Menschen, unwissende Unternehmen und verschenkte Ressourcen.