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       # taz.de -- Kindercomic in Tschechien: Im Auto einen blasen
       
       > Die legendären Hefte „Vierblättriges Kleeblatt“ sind an manchen Stellen
       > nicht ganz kindgerecht. Der Zeichner der Comics wird gefeuert.
       
   IMG Bild: Eine tschechisches Online-Portal zeigt die anrüchigen Stellen in dem Comic
       
       PRAG taz | Egal ob eingeboren oder „angeschwemmt“, wie die Prager die
       Zugezogenen bezeichnen – es wird sich dort kaum ein Tscheche unter 45
       finden, der nicht bis heute liebevoll an einen treuen Begleiter seiner
       Kindheit zurückdenkt: Čtyřlístek, zu Deutsch (vierblättriges) Kleeblatt.
       Das liebevoll gezeichnete Comic-Heft für Kinder und all die, die das innere
       Kind in sich bewahrt haben, erscheint seit 1969 rund 20-mal pro Jahr.
       
       Das Heft dreht sich um die verschiedenen Abenteuer einer Viererbande: Da
       ist der schlaue Kater Myspulin, der auch die kniffligsten Probleme löst und
       dessen Erfindungen ihm und seinen drei Freunden immer wieder neue Abenteuer
       bescheren: dem frechen Schweinchen Bobik, der praktisch veranlagten Hündin
       Finfinka und dem ängstlichen Hasen Pinda.
       
       Alle vier leben zusammen in einem kleinen Häuschen in Třeskoprsky – ein
       erfundener Name, der sich aus den Wörtern „Knall“ und „prusten“
       zusammensetzt –, das an einem Teich liegt, der „Der Schlammige“ heißt, im
       Schatten der Burg „Ohnezahn“. Einst das Entenhausen des real existierenden
       Sozialismus, hat „Knallprust“ die Transformation zum Kapitalismus glatt und
       problemlos überstanden. Gegen Myspulin, Bobik, Fifinka und Pinda sind
       selbst Donald Duck und Micky Maus machtlos. Das Magazin ist schon lange
       Legende, es hat sein eigenes Museum und seinen eigenen Film.
       
       Und jetzt hat es auch seinen eigenen handfesten Skandal, der es in die
       Schlagzeilen gebracht hat. In eine der Serien, die im Heft die Abenteuer
       des Katzenschweinehundehasenkleeblatts begleiten, haben sich einige nicht
       unbedingt kindgerechte Pikanterien eingeschlichen: pornografische Szenen,
       Zeichnungen von Geschlechtsorganen, zweideutige Zeichnungen. Ja, er habe
       schon länger porngrafische Elemente in dem Kindercomic versteckt, gab der
       Zeichner Bohumil Fencl kleinlaut in den Nachrichten zu.
       
       ## Zweiter Auftrag: eine erotische Krimiserie
       
       Er, der nicht nur Kindercomics zeichnet, sondern auch eine erotische
       Krimiserie, habe da seine eigenen kleinen Perversitäten ausgelebt und Spaß
       dabei gehabt, sagte Fencl, der seit 2001 für das Heft zeichnete.
       
       Dass er vom Čtyřlístek-Verleger herausgeschmissen wurde, akzeptierte er
       schulterzuckend: „Es war mir von vornherein klar, dass meine Arbeit für das
       Comic endet, sobald alles auffliegt“.
       
       Gedauert hat das allerdings lange genug. Zum einen sind die Zeichnungen gut
       versteckt, zum anderen sind die betreffenden Szenen so gezeichnet, dass
       Kinderaugen sie kaum als das erkennen würden, was sie sind. Zudem war die
       Pornografie vorsichtig dosiert, seine „eigenen Perversitäten“ hat der Autor
       nicht in jeder Ausgabe ausgelebt.
       
       Wäre Čtyřlístek nicht als eine der wenigen tschechischen Legenden, die im
       eigenen Land etwas gilt, auch unter Erwachsenen beliebt, wären die pikanten
       Zeichnungen vielleicht nie als solche erkannt worden.
       
       ## BJ 0210
       
       In der neuesten Ausgabe allerdings, scheint Autor Fencl etwas vorlaut
       geworden zu sein. In einer Szene, die an einer Straßenecke spielt, sieht
       man eine Frau, die sich aus dem Fenster neigt, während ein Mann sie von
       hinten in eindeutiger Position hält. Unten auf der Straße steht wiederum
       ein Auto, in dem eine Frau ihren Kopf im Schoss eines Mannes hat. Jeglichen
       Zweifel darüber, was im Auto vorgeht, räumt dabei dessen Kennzeichen aus:
       BJ 0210.
       
       Geplatzt ist das Ganze dann auf Facebook, wo die betreffende Szene von
       einem Fan des Comics gepostet wurde mit der Frage: Sehe das nur ich? Sobald
       sie mit dem Lachen fertig waren, begannen andere mit der Recherche. Und
       förderten weitere Zweideutigkeiten zutage: Kuchen in der Form weiblicher
       Brüste, Pflanzen, die in ihrer Form dem männlichen Geschlechtsteil
       gleichen.
       
       Aber Prag wäre nicht eine der dekadentesten Städte der Welt, wenn sich
       seine Bewohner nicht köstlich über ihren neuesten „Pornoskandal“ amüsieren
       würden. Der Auflage des Comics wird es nicht schaden. Die Prager stören
       sich höchstens daran, dass der Autor rausgeworfen wurde. Dank ihm hätte der
       Comic doch eine ganz neue Zielgruppe erschließen können, lachen sie.
       
       17 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alexandra Mostyn
       
       ## TAGS
       
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