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       # taz.de -- Kommentar Börsenturbulenzen: Der Reissack in China
       
       > Der Kurssturz an den chinesischen Börsen war für deutsche Spekulanten ein
       > willkommener Anlass, um für Aufregung zu sorgen.
       
   IMG Bild: Anleger beobachten die Kurse an der Börse in Peking.
       
       Was geht uns China an? Die deutschen Exporte dorthin belaufen sich auf
       knapp 75 Milliarden Euro, was viel klingt, aber nur etwa 2,3 Prozent der
       deutschen Wirtschlaftsleistung sind. In die Niederlande exportieren wir
       übrigens genauso viel. Trotzdem kümmert sich niemand darum, wie es unseren
       Nachbarn gehen könnte, während jeder Hicks an den chinesischen Aktienbörsen
       auch hierzulande Panik auslöst. Das ist seltsam.
       
       Der neueste Hicks ereignete sich am Montag: Kaum brachen die chinesischen
       Börsen ein, rauschte auch der DAX um 4 Prozent nach unten. Jetzt am
       Dienstag haben sich die chinesischen Aktien wieder erholt, so dass sich
       auch der DAX stabilisiert. Die deutschen Spekulanten wirken, als seien sie
       aus China ferngesteuert.
       
       Dieses merkwürdige Herdenverhalten erklärt sich denkbar schlicht: Die
       Börsianer haben nichts Besseres zu tun. Spekulationsgewinne kann es nur
       geben, wenn die Aktienkurse schwanken. Der Anlass ist weitgehend egal,
       solange die Story gut genug ist, um für ein bisschen Aufregung zu sorgen.
       Diesmal war es China.
       
       Es ist allerdings damit zu rechnen, dass China noch öfters für Nachrichten
       an den internationalen Börsen sorgen wird. Denn das Land befindet sich in
       einem radikalen Umbau. Bisher hat es auf gigantische Investitionen und
       Exporte gesetzt, um die Wirtschaft voranzubringen.
       
       ## Schwache Binnennachfrage
       
       Doch die Wachstumspotentiale dieser Sektoren sind ausgereizt. Jetzt muss
       China zu einem normalen kapitalistischen Land werden – also auf den Konsum
       der eigenen Bürger setzen. Das klingt einfacher, als es ist.
       
       In China gibt es keine vernünftige Sozialversicherung, weswegen die Bürger
       für ihr Alter sparen müssen. Sie konsumieren also gerade nicht – sondern
       spekulieren mit ihrem Ersparten an den Börsen. Schwache Binnennachfrage und
       viel Geld, das nach Renditen sucht: In China braut sich jene Mischung
       zusammen, die Börsenturbulenzen garantiert.
       
       5 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Herrmann
       
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