URI: 
       # taz.de -- Ausstellung zu queeren Comic-Helden: Batwoman ist lesbisch, Catwoman bi
       
       > Die Schau „SuperQueeroes“ im Schwulen Museum Berlin liefert sehenswerte
       > Hintergründe zu Ikonen der Comicgeschichte.
       
   IMG Bild: Wonderwoman and Horny Dyke
       
       Was haben Batman und Robin eigentlich getrieben, bevor man sie im Comic so
       oft Morgenkaffee schlürfend gemeinsam im Bett sieht? Viele malten es sich
       aus, im Kopf, aber auch auf Papier. Die Ausstellung „SuperQueeroes“ im
       Schwulen Museum zeigt nun (Vorsicht: Spoiler!), wie Robin mit Superman
       knutscht.
       
       Batman betrachtet die Szene im Hintergrund voller Groll. Okay, das ist
       Fan-Fiction. Aber dafür, dass einer der beiden Mainstreamverlage, Marvel
       Comics, noch in den achtziger Jahren offiziell „No gays in the Marvel
       Universe“ verordnete, hat sich seither was getan: Der X-Man „Northstar“
       wurde 1992 geoutet und durfte 2012 schwul heiraten. Batwoman ist lesbisch,
       Catwoman bi. Hochoffiziell.
       
       All das zeigt die Ausstellung, die (wie der Kulturwissenschaftler Kevin
       Clarke aus dem siebenköpfigen Kurationsteam selbst sagt) eine
       „Mehr-ist-Mehr-Schau“ geworden ist: nur ein Raum, aber gut 450 Exponate,
       darunter viele original Comicstrips, optisch trotz der Fülle extrem
       ansprechend gehängt und gerahmt an knallgelben Wänden.
       
       Das attraktive Raumdesign verstärkt die Lust, sich auf dieses Thema
       einzulassen, dem sich erstmals ein Museum in Deutschland widmet. Schon sehr
       früh nach den Stonewall Riots 1969 gab es queere Superheld*innen, wie die
       Ausstellung beweist, aber erst mal in Independent-Verlagen. Im Mainstream
       tauchen sie erst 15 Jahre später am Rande auf.
       
       ## Wonder Woman
       
       Inzwischen boomt es: Iceman, einer der zentralen X-Men, hat vor Kurzem
       gemerkt, dass er schwul ist. In der Ausstellung sieht man auch die
       brandneue Ausgabe von „Wonder Woman“, die von Clark Kent alias Superman
       begleitet wird und eine lesbische Trauung im Central Park durchführt.
       Superman stottert. „To us, it’s not ‚gay’ marriage, it’s just marriage”,
       hält Wonder Woman dem entgegen.
       
       „Ein Satz, der auch von Hillary Clinton stammen könnte”, sagt Kurator
       Clarke bester Laune. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass es bei den
       Amazonen, deren Prinzessin Wonder Woman ist, eben nur Frauen gibt. Das
       dürfte einem potentiellen Shitstorm oft verblüffend konservativer
       Comicleser*innen Einhalt gebieten.
       
       Aus Furcht vor ihnen wird Queerness im Mainstream-Comic oft auch nur im
       Paralleluniversum „angetestet“: Green Lantern aus den DC Comics darf in
       einer alternativen Realität schwul sein, wohingegen er im Hauptplot hetero
       bleibt. Auch die X-Men Wolverine und Hercules knutschen bloß im
       Paralleluniversum. Die Ausstellung heißt im Untertitel „Unsere
       LGBTI*-Comic-Held_innen“ und macht schnell klar: Hier geht es nicht bloß um
       Figuren mit überirdischen Superkräften, sondern auch um harte Realität.
       Alltagsheld*innen.
       
       In Comics lebt LGBTIQ-Personal vor, wie man sich gegen Heteronormativität
       durchsetzen kann. Ähnliches gilt auch für die Autor*innen dieser Bücher:
       Etwa wenn die US-Zeichnerin Alison Bechdel in „Dykes to watch out for“
       Lesben sichtbar macht. Die Ausstellung zeigt ihre Rarität „Fun Home“. Und
       Howard Cruse, einer der ersten offen schwulen prominenten Comiczeichner,
       der 1995 in „Stuck Rubber Bay“ einen Pastorensohn sein Coming-out erleben
       lässt. Mitunter werden auch ikonographische Querverbindungen sichtbar: Tom
       of Finland sieht man, die Ikone homoerotischer Illustration schlechthin.
       Hypermaskuline Typen aus den Sechzigern.
       
       Als lesbisches Pendant dazu organisierte das Team eine Leihgabe vom Leslie
       Lohman Museum of Gay and Lesbian Art New York. Aus der Serie „Prison
       Breakout” der kanadischen Zeichnerin G. B. Jones. Zum Kurationsteam, das
       sich zwischen San Francisco, New York, Baden-Baden, Stuttgart und Berlin
       koordinierte, gehören unter anderem: Markus Pfalzgraf, Autor von „Stripped“
       (Bruno Gmünder Verlag) einer zweisprachige Geschichte des schwulen Comics.
       Und Justin Hall, der mit „No Straight Lines“ eines der bedeutendsten Bücher
       über queere Comics in Nordamerika geschrieben hat. Er ist mit „Glamazonia –
       the uncanny Super-Tranny“ selbst ein prominenter Zeichner und kuratierte
       die weltweit erste museale queere Comicausstellung, 2006 im Cartoon Art
       Museum in San Francisco.
       
       ## Dahin, wo es wehtut
       
       Das Schwule Museum zeigt nicht nur queeren Pride, sondern schaut auch
       dahin, wo es wehtut: In den Fünfzigern gab es in Deutschland „Schmutz und
       Schund“-Kampagnen, etwa vom katholischen Volkswartbund. Ko-Kurator Hannes
       Hacke erzählt von der „Schmökergrab-Aktion“ 1956, als Comics in Deutschland
       verbrannt wurden.
       
       „Selbst Ralf Königs Werke wurden in den Neunzigern teilweise noch
       beschlagnahmt. Da gab es Razzien in Buchläden und Bibliotheken“, fügt
       Kollege Pfalzgraf hinzu. Die ersten zwei Dutzend Titel, die von der
       Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert wurden, waren
       allesamt Comics.
       
       Obwohl asiatische Comics nur am Rande vorkommen, machen die Mangas Mut: Der
       Zeichner Gengoroh Tagame hat letztes Jahr einen von der japanischen
       Regierung ausgeschriebenen Preis bekommen – für eine Familiengeschichte mit
       zwei Schwulen. Das erste Mal im japanischen Mainstreamcomic, einer
       Millionenindustrie. Hoffentlich doch auch mit genug Platz für Millionen
       sexueller Identitäten. Die Ausstellung im Schwulen Museum jedenfalls ist
       ein mal spaßiger, mal nachdenklicher, aber stets inspirierender Kick-off.
       So sehr, dass die Frage, was Batman und Robin morgens treiben, fast egal
       ist.
       
       23 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Hochgesand
       
       ## TAGS
       
   DIR Comic
   DIR Superhelden
   DIR Schwerpunkt LGBTQIA
   DIR DC Comics
   DIR Comic-Held
   DIR Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
   DIR Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
   DIR Lesben
   DIR Literatur
   DIR Justin Trudeau
   DIR Marvel Comics
   DIR David Bowie
   DIR Queer
   DIR Konzert
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ruby Rose erntet Hass im Netz: Die ideale Batwoman
       
       Batwoman ist eine Kämpferin. Das ist Schauspielerin Ruby Rose, die sie
       verkörpern soll, auch. Nun haben Hater*innen sie bei Twitter vergrault.
       
   DIR Comic-Verfilmung „Wonder Woman“: Ein feministischer Meilenstein?
       
       Endlich wieder ein gelungener Beitrag zum SuperheldInnen-Universum: „Wonder
       Woman“ schickt Diana in den Ersten Weltkrieg.
       
   DIR Coming-of-Age-Film „Die Mitte der Welt“: Sich ins Leben tasten
       
       Ein viel zu seltener Glücksmoment der Diversität im deutschen Film: Jakob
       M. Erwas Romanverfilmung des Jugendbuchs „Die Mitte der Welt“.
       
   DIR Französischer Film „Théo & Hugo“: Oper des schwulen Begehrens
       
       Der Spielfilm „Théo & Hugo“ von Olivier Ducastel und Jacques Martineau
       erzählt realistisch und nuancenreich von Homosexualität im 21. Jahrhundert.
       
   DIR Queere SuperheldInnen: Wonder Woman steht auf Frauen
       
       Die beiden großen Comicverlage pokern um die spektakulärsten Coming-outs.
       DC hat nun erklärt, Wonder Woman sei bisexuell.
       
   DIR Dyke*March in Berlin: Lesben? Immer überall!
       
       Am Freitag demonstrieren Lesben und UnterstützerInnen für Sichtbarkeit und
       Lebensfreude. Zum zweiten Mal rollen „Dykes on Bikes“ auf Motorrädern
       vorweg.
       
   DIR Literaturfestival in Berlin: Es beginnt mit einem einzelnen Wort
       
       Im Literarischen Colloquium Berlin traf sich bei „Empfindlichkeiten“ eine
       internationale Top-Auswahl queerer Schriftsteller*innen.
       
   DIR Superhelden bei Marvel Comics: Du strahlendes Pferdchen!
       
       Der kanadische Premierminister Justin Trudeau tritt in einem
       Superhelden-Comic auf. Dass das nun passiert, ist nur konsequent.
       
   DIR TV-Serien und Marvel-Figuren: Zweifelnde HeldInnen
       
       „Daredevil“ und „Jessica Jones“ sind im Serienkosmos angekommen. Deren
       Charaktere sind so kaputt, dass sie auch Erwachsene interessieren.
       
   DIR Kolumne Behelfsetikett: Personal Jesus
       
       Warum ich David Bowie schon als Kind lieben lernte und lange Zeit keine
       Schallplatte von ihm kaufen konnte. Ein sehr persönlicher Nachruf
       
   DIR Filmstart „Carol“: Jeder Ort hat sein eigenes Erfordernis
       
       Todd Haynes übersetzt in „Carol“ queere Geschichten in bewährte
       Erzählmuster. Mit einer grandiosen Cate Blanchett.
       
   DIR Shamir-Konzert im Berliner Privatclub: Superheld mit Samtstimme
       
       Charmanter als der Hype: US-Sänger Shamir überzeugt bei einem Live-Auftritt
       in Berlin und trifft mit seinem Postgender-Gestus einen Nerv.