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       # taz.de -- Wettbetrug im Tennis: Franks wilde Story
       
       > Das Tennisprekariat aus aus dem hinteren Bereich der Weltrangliste ist
       > anfällig für Wettmanipulationen. Ein Exprofi packt aus.
       
   IMG Bild: Wetten, dass dieser Matchball nicht verwandelt wird?
       
       Melbourne taz | In dieser Tenniswoche der herumflirrenden Beschuldigungen,
       Gerüchte und Spekulationen hatte auch ein Mann namens „Frank“ seinen großen
       Auftritt. Frank heißt natürlich nicht Frank, es ist ein Pseudonym. Frank
       war in einem Radiointerview des BBC-Worldservice zu Gast, er sei Exprofi
       und jetzt Trainer, sogar in diesen Tagen bei den Australian Open im
       Einsatz.
       
       Was Frank, der Coach, in etwa zehn Gesprächsminuten zu sagen hatte, klang
       einigermaßen abenteuerlich. Und war lustig anzuhören, denn die BBC hatte
       sogar einen Sprecher besorgt, der seine Aussagen in einem südamerikanischen
       Dialekt nachsprach.
       
       Um es kurz zu machen: Franks Bekenntnisse waren verwegen, etwa sein Anwurf,
       dass in jüngerer Vergangenheit ein komplettes Masters-Turnier
       durchmanipuliert worden sei – der Sieger, so Frank, habe von vornherein
       festgestanden. Oder die Aussage, dass es gerade nur einen einzigen Spieler
       gebe, „der noch kein Angebot bekommen hat“, also ein unlauteres Angebot zur
       Trickserei.
       
       Wen hatte das nun eigentlich am meisten blamiert? Das Welttennis und seine
       Stars und Sternchen? Oder Frank? Oder am Ende die gute, alte BBC, die sich
       in ihrem Enthüllungseifer vielleicht doch einen falschen Kronzeugen für die
       angeblichen Mauscheleien ausgesucht hatte?
       
       Durchblick, Klarheit zu gewinnen in dieser Angelegenheit, war nicht ganz
       leicht, denn vieles wurde in den letzten Tagen besprochen, diskutiert und
       auf den Tisch gelegt, aber eins eben doch nicht: handfeste Beweise. Und
       Namen, die wirklich nachvollziehbar in Unregelmäßigkeiten, wenn nicht
       Betrug verstrickt sind. „Ich würde mir immer noch dringend wünschen, dass
       Namen vorgelegt werden. Und Tatsachen“, sagt Roger Federer, der prägende
       Kopf des modernen Tennis.
       
       Fehlende Transparenz war in vielerlei Hinsicht der Begriff der Woche. Das
       galt für die Anschuldigungen des Enthüllungskonsortiums aus BBC und
       Buzzfeed selbst, für dessen Melange aus aufgewärmten Geschichten, diversen
       Schummelei-Indizien und Listen von Spielern, denen auffällige Spiel- und
       Wettverläufe zuzuordnen seien.
       
       ## Allzu dezente Arbeit
       
       Aber das galt auch für die allzu dezente Arbeit der sogenannten Tennis
       Integrity Unit, der gemeinsamen Antikorruptionseinheit der Verbände: Wie
       sie nun genau Aufklärungsarbeit leistet, was sie warum und wie im
       Einzelfall entscheidet, weiß keiner so genau. Nur dass sie mit einer
       Handvoll Personal und einem bescheidenen Jahresetat von etwa zwei Millionen
       Dollar ausgestattet ist, weiß man.
       
       Fehlende Transparenz, dies betrifft auch das Nebenbühnen-Entertainment im
       Welttennis, die kleinen Challenger- oder Future-Turniere, die keiner so
       recht im Blick und wohl auch im Griff hat. Außer vielleicht dann doch die
       Gefährder, die auf diesen Spielplätzen ihr Manipulations-Unwesen am ehesten
       treiben können.
       
       Denn die aufmerksamkeitsheischende Topstory der Skandalenthüller, wonach
       auch eine Gruppe von Top-50-Spielern aus den letzten Jahren verstrickt sei,
       lenkt den Blick weg von den eigentlichen Risikofeldern – von der schiefen
       Finanzarchitektur im Profitennis, das Multimillionäre ebenso kennt wie ein
       Prekariat, das sich bestenfalls noch gerade so über Wasser hält.
       
       ## Moralische Standfestigkeit gefährdet
       
       Es sind die Spieler, die Interwetten-Boß Werner Becher in diesen Tagen
       meint, wenn er sagt: „Das Problem sind die Spieler der zweiten bis dritten
       Reihe.“ Die NZZ fragt sich da, ob Ehrlichkeit eine Frage des Preises sei.
       Die Lebenswirklichkeit kann die moralische Standfestigkeit gefährden, wenn
       die Karriere stockt und stottert, wenn Aufwand und Ertrag trotz aller
       Leidenschaft nicht zusammenpassen.
       
       Jährlich steigen die Preisgelder im Welttennis im Großen und Ganzen, vor
       allem auf den bedeutenden Grand-Slam-Bühnen, doch das nützt nur dem
       erweiterten Establishment, den Spielern bis Platz 100. Und nicht all jenen,
       die abseits dieser Komfortzone ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen.
       
       Aber auf dem gigantischen Wettmarkt wird jede Woche nicht nur auf
       Rampenlicht-Turniere gewettet, auf die Grand Slams, die Masters-Turniere
       und die Tourwettbewerbe, sondern auch auf Pokalkämpfe in der Provinz –
       zweite, dritte Liga. Die Preisgelder sind bescheiden, ein paar tausend
       Dollar. Die Mauschelprämien könnten höher, viel höher liegen für Spieler,
       die gegen die Anfechtungen nicht immun sind.
       
       ## Dutzende Wettkonten
       
       Unser Freund Frank kommt hier auch noch einmal ins Spiel, denn er scheint
       immerhin ein plausibles Argument zu haben, warum der Schwindel beim Wetten
       aufs unterklassigere Tennis nicht so schnell auffällt. Über Dutzende
       Wettkonten verfügten die Betrüger. Überschaubare Summen würden von jedem
       einzelnen Konto aus gesetzt – doch am Ende, so Frank, „wird dann eine
       richtig große Summe daraus“ – wenn das getürkte Spiel „im Sack ist“.
       
       Bringt die Diskussion rund um die Wettaffäre, die tatsächliche oder
       vermeintliche, als Nebeneffekt wenigstens ein bisschen mehr
       Einkommens-Annäherung zwischen den „Happy few“, den Topleuten der Branche,
       und dem Tennis-Proletariat? „Ich glaube schon, dass dies einige in den
       Verbänden und Spielergewerkschaften aufgerüttelt hat“, sagt ein bekannter
       Trainer aus Westeuropa, „es wird längst Zeit, dass da etwas passiert.“
       
       24 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Allmeroth
       
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