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       # taz.de -- Konzerne suchen Lager für Öl: Ab in den Tanker
       
       > Weil der Lagerplatz knapp und teuer ist, parken Energiekonzerne immer
       > mehr Öl auf Supertankern vor der Küste. Schon jetzt gibt es Staus.
       
   IMG Bild: Öllager an Land sind nicht so beliebt, denn der Transport dahin ist meist teurer.
       
       BERLIN taz | Die globale Ölindustrie kommt ins Schwimmen. Weil die Preise
       für Rohöl einen Niedrigrekord nach dem anderen brechen, suchen Konzerne
       händeringend nach Lagerplätzen für ihren Rohstoff. Sie finden ihn immer
       häufiger offshore: Auf Tankern, die vollgeladen an den Küsten ankern. Knapp
       130 Millionen Barrel Öl (ein Barrel sind 159 Liter) sind derzeit laut dem
       aktuellen „Ölmarkt-Report“ der Internationalen Energieagentur IEA auf
       Schiffen geparkt – so viel wie nie zuvor.
       
       Insgesamt stauen sich Dutzende von Supertankern vor chinesischen Häfen wie
       Tianjin und Dalian, vor Amsterdam/Rotterdam, vor Singapur und Malaysia oder
       am Persischen Golf. Bereits im November meldeten die Lotsen an der Küste
       des texanischen Ölhafens Houston einen „Verkehrsstau“, weil über 50 Schiffe
       dort vor Anker lagen. Dabei sollte es eigentlich in die andere Richtung
       gehen: Im Dezember 2015 hatte die US-Regierung dem Lobbydruck der
       Ölindustrie nachgegeben und nach 40 Jahren wieder den Export von US-Öl
       erlaubt.
       
       Aber bei den niedrigen Preisen – das Barrel US-Rohöl fiel letzte Woche
       teilweise deutlich unter 30 Dollar, ein Preisverfall von 75 Prozent über
       die letzten 18 Monate – wartet die Welt nicht auf den Schmierstoff aus
       Texas. In den iranischen Häfen, die nach dem Ende des Wirtschaftsembargos
       wieder am Ölhandel teilnehmen dürfen, warten 36 Millionen Barrel auf ihre
       Verschiffung. Auch im Rest des Persischen Golfs, vor Singapur, im
       Kaspischen Meer und in der Arktis schwappen nach IEA-Zahlen insgesamt 60
       Millionen Barrel Öl in der Warteschleife.
       
       Ein Ende des billigen Öls sieht die IEA in ihrem Bericht erst einmal nicht.
       „Kann der Preis noch weiter sinken?“, fragen die Experten. Ihre Antwort:
       Wenn sich 2016 an der schwachen Konjunktur in China und der hohen
       Produktion vor allem in Saudi Arabien nichts ändere, „könnte der Ölmarkt im
       Überangebot untergehen. Also ist die Antwort ein deutliches Ja: Es kann
       noch tiefer gehen.“
       
       ## Billig vollgetankt
       
       Dabei gibt es theoretisch genug Speicher. China hat seine strategische
       Ölreserve massiv ausgebaut und inzwischen billig vollgetankt. Überall auf
       der Welt warten riesige Tanks auf dem Land und unterirdische Kavernen
       darauf, Öl zu speichern. Aber diese Lagerstätten sind oft schwer und teuer
       zu erreichen.
       
       Doch auch der Ausweg aufs Meer ist nicht so einfach. Denn bisher lohnen
       sich die schwimmenden Zwischenlager nur selten: Zu gering ist der
       Unterschied zwischen dem niedrigen Ölpreis von heute und dem, der in
       Futures-Verträgen für Öl in einigen Monaten gezahlt wird, um die teuren
       Schiffe zu bezahlen. Immerhin kostet so ein Mietöltanker zwischen 50.000
       und 100.000 Dollar – im Monat.
       
       ## Öl ins Meer
       
       Ob die schwimmenden Öltanks eine größere Bedrohung für die Umwelt sind als
       die Lager an Land, darüber gibt es bei den Umweltverbänden wie Greenpeace
       und WWF keine klare Aussage. Seit jeher warnen die Umweltschützer aber
       davor, dass schon der Betrieb von Ölhäfen, Bohrinseln und der Transport von
       Rohöl einer permanenten Ölpest gleichkommt.
       
       Allein in den USA gelangen nach einer Studie des industrienahen American
       Petroleum Institute aus dem Jahr 2009 jedes Jahr 850.000 Barrel Öl in die
       Meere, Flüsse und Seen: durch kleine und große Lecks, durch Auswaschen von
       Tanks und oft ganz legal. Denn der Öldurst der weltweiten Industrie und
       Verkehrssysteme ist gewaltig: Die Menge von 130 Millionen Barrel Öl, die
       derzeit vor den Küsten gespeichert wird, verbraucht die Welt in eineinhalb
       Tagen.
       
       27 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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