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       # taz.de -- SchülerInnen auf Spurensuche: Ehrenbürger Adolf H.
       
       > Hitler war Ehrenbürger der schleswig-holsteinischen Stadt Uetersen. Die
       > acht Schüler, die das aufdeckten, sind nun mit dem Bertini-Preis
       > ausgezeichnet worden.
       
   IMG Bild: Mit Dohle, die im Odins Botschaften flüstert: Der „Führer“ wurde mancherorts länger als Ehrenbürger geführt, als den Beteiligten lieb sein kann.
       
       Hamburg taz | Ein Schulausflug ins Uetensener Heimatmuseum brachte sie auf
       die Spur. Dort fanden die Zehntklässler des Ludwig-Meyn-Gymnasiums in einer
       Auflistung aller Ehrenbürger der Stadt auch den Namen „Adolf Hitler“. Dem
       war 1934 die Ehrenbürgerwürde der Stadt in Abwesenheit verliehen worden.
       „Ich nehme … an“, antwortete der Diktator und war somit bis 1945
       Ehrenbürger der Stadt.
       
       Nur bis 1945? „Wir fragten uns, ob es auch ein Dokument gibt, dass die
       Aberkennung der Ehrenbürgerwürde belegt“, erinnert sich der 15-jährige
       Florian Steig. Im Museum gibt es darauf keinen Hinweis. Zunächst vier
       Schüler wollen es genau wissen und fragen nach. Als Erstes bei der
       Uetensener Bürgermeisterin Andrea Hansen (SPD). Doch die kennt kein
       Dokument, das eine Aberkennung belegt. Stattdessen verweist sie auf einen
       Wikipedia-Eintrag, in dem es heißt, Hitler sei die Ehrenbürgerwürde „nach
       Kriegsende“ aberkannt worden.
       
       Doch Wikipedia reicht den Jugendlichen als Quelle nicht. Inzwischen auf
       eine achtköpfige Gruppe angewachsen, befragen sie den örtlichen
       Bürgervorsteher Adolf Bergmann (SPD). Der will etwas von zwei Büchern
       wissen, in denen die Aberkennung dokumentiert worden sei. Aber die sind
       leider spurlos verschwunden. Auch der Autor des Wikipedia-Eintrags, den die
       Schüler ausfindig machen, kann keine seriöse Quelle vorlegen.
       
       Inzwischen hat die Uetenser Bürgermeisterin den Wissenschaftlichen Dienst
       des Bundestags um Hilfe gebeten. Der behauptet in einer Expertise
       ebenfalls, dass Uetersen Hitler die Ehrenbürgerschaft nach dem Krieg
       aberkannt wurde – doch auch er nennt keine Quelle. „Die Formulierungen der
       Gutachter ähnelten den Worten des Wikipedia-Eintrags“, sagt Christopher
       Babecki, einer der recherchierenden Schüler. Im Uetensener Stadtarchiv,
       klärt der Dienst die Schüler auf, müssten sie fündig werden. Der Tipp hat
       einen Haken. „Leider gibt es bei uns kein Stadtarchiv“, berichtet Schüler
       Arvid Maiwald.
       
       Doch für den Wissenschaftlichen Dienst ist es gar keine Frage, ob Hitler
       noch Ehrenbürger ist oder nicht: „Mit dem Tod der geehrten Person erlischt
       die Ehrenbürgerschaft ohnehin“, heißt es.
       
       Aus der Kieler Staatskanzlei bekommen die Schüler von dem dortigen Experten
       eine ebenso eindeutige Auskunft. „Eine Ehrenbürgerschaft endet nicht mit
       dem Tod.“ Kurz darauf streiten die eingeschalteten Historiker und Juristen
       miteinander wie die Kesselflicker. Zur Aufklärung des Sachverhalts aber
       tragen sie damit nicht bei.
       
       Nach anderthalb Jahren Recherche stehen die Schüler im Winter 2015 wieder
       am Anfang. Doch nachdem sie am Anfang Dezember einen [1][Film] über ihre
       Recherche ins Netz stellen und die Bild-Zeitung das Thema aufgreift, geht
       alles plötzlich ganz schnell. Am 15. Dezember beschließt die Uetensener
       Ratsversammlung Adolf Hitler ganz offiziell die Ehrenbürgerwürde
       abzuerkennen.
       
       Als Belohnung für ihre Hartnäckigkeit nahmen die Uetensener Schüler am
       Mittwoch im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater nun einen von fünf
       Bertini-Preisen entgegen, mit denen jedes Jahr SchülerInnen aus Hamburg und
       dem Umland ausgezeichnet werden, die sich für ein solidarisches
       Zusammenleben einsetzen (siehe Kasten). „Wir fühlten uns lange nicht ernst
       genommen“, erinnert sich Florian Steig an die Zeit, als die Gruppe mit
       Wikipedia abgespeist wurde, während der Laudator noch einmal die
       Zivilcourage der jungen Preisträger lobt.
       
       27 Jan 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=Grz7ilClLd0
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
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