URI: 
       # taz.de -- Prozess um Reeder: Tränen ums Lebenswerk
       
       > Der gescheiterte Reeder Niels Stolberg hat ein Geständnis abgelegt und
       > übernimmt die Verantwortung für die Betrugsmanöver seiner Firma.
       
   IMG Bild: Stolberg als Unternehmenskapitän - viele fanden das früher gut in Bremen.
       
       BREMEN taz | Niels Stolberg, Unternehmer des Jahres 2006, hat gestern vor
       dem Landgericht ein weitgehendes Geständnis abgelegt. Ja, er hat die Bilanz
       für das Jahr 2009 mit Scheinaufträgen aufgeplustert, um den Investor
       Oaktree mit ins sinkende Boot zu holen. Ja, er hat mit dem niederländischen
       Schiffbauer Volharding vereinbart, dass der für seine Rolle bei den
       Schiffsbauprojekten eine bis zu zehnfach überhöhte Rechnung schreibt und
       die Differenz auf Privatkonten von Stolberg zurücküberweist.
       
       Durch diese „Drehung“, wie der Chefcontroller das vor Gericht bezeichnete,
       wurden die Banken dazu gebracht, den höheren Kaufpreis zu finanzieren –
       Stolberg holte sich das [1][Eigenkapital], das er in Aufträge einbringen
       musste, sozusagen über den Betrug zurück. Stolberg stellte sich dabei vor
       seine Mitarbeiter und bekannte in unvermindertem Kapitänsstolz: „Ich stand
       als Kapitän auf der Brücke.“ Auch wenn er in dem schnell wachsenden
       Unternehmen nicht alle Einzelheiten kontrollierte – er habe die Anweisungen
       gegeben.
       
       Was der Controller in seiner Aussage dann bestätigte. Er war als
       Berufsanfänger ins Unternehmen gekommen und sei für seine erste Vorlage
       beim Chef so „rund gemacht“, so aggressiv angeschrien worden, dass er dann
       nur noch einen Wunsch hatte: es dem Chef recht zu machen. Gleichzeitig war
       er gern loyal – Stolbergs Fürsorglichkeit hatte ihn beeindruckt und um in
       der Krise die sozialen Projekte zu retten, habe er sogar bei dem
       „kriminellen System“ mitgemacht, erklärte er. Während Stolberg von
       „kreativer Eigenkapitaldarstellung“ sprach, nannte der Controller das eben
       schlicht „kriminell“. Und erklärte sofort nach dem Ende der Beluga den
       Ermittlern bereitwillig das System.
       
       Stolberg hat seine Ehre, auch noch vor Gericht. „Ich wollte mich zu keinem
       Zeitpunkt persönlich bereichern“, erklärte er, und „ich wollte niemals
       jemanden schädigen.“ Richtig wütend erwähnt er die Vorwürfe, die ihn
       getroffen haben: Er habe Spendengelder veruntreut, er habe Waffenhandel
       betrieben, er habe Geschäftspartner betrogen. „Völlig unzutreffend“ seien
       diese Vorwürfe und die Verfahren auch weitgehend eingestellt. Aber sein Ruf
       sei ruiniert dadurch.
       
       Was ihn getrieben hat, so erklärte er, sei die Idee gewesen, das
       Unternehmen zu retten – „mein Lebenswerk“. Rücklagen hatte er nie gebildet,
       er war vom Erfolg verwöhnt und spekulierte darauf, dass die
       Schifffahrtskrise in zwei Jahren überstanden sein könnte: „Das Unternehmen
       war mein Leben, ich habe rund um die Uhr gearbeitet.“
       
       So richtig schuldig für seine betrügerische Unternehmenspolitik ist
       Stolberg auch im Grunde nicht, erklärte er vor Gericht. Erstens habe er die
       Idee mit seinem Steuerberater weiterentwickelt, der habe das „als üblich“
       bezeichnet. Ein Grüner übrigens.
       
       Und vor allem hätten „die Banken dennoch verdient an der
       Schiffsfinanzierung“, die „kreative Darstellung des Eigenkapitals“ sei
       branchenüblich, „die Banken wussten das“. Und der Bilanzbetrug, na ja.
       Mitten in der Schifffahrtskrise große Aufträge von einem neuen
       Auftraggeber, drei Gesellschaften aus Panama unter derselben Adresse, das
       muss den Wirtschaftsprüfern von Ernst&Young aufgefallen sein, erklärt
       Stolberg:
       
       „Nicht vorstellbar, dass die teuren Wirtschaftsprüfer das nicht bemerkt
       haben wollen.“ Möglicherweise haben die von Oaktree ihn nur reingelegt –
       das Spiel mitgespielt, um ihn dann rauszuschmeißen. Heute jedenfalls
       [2][fahre] die Oaktree-Tochter Hansa Heavy Lift, Sitz in Hamburg, mit
       seinen Schiffen Schwergut und ist einer der ganz Großen in der Branche,
       „Weltmarktführer“, sagt Stolberg beinahe neidisch.
       
       Und er, Stolberg? „Ich habe mein komplettes berufliches Lebenswerk
       verloren“, erklärt er, [3][den Tränen nahe], „endlich“ komme der Prozess
       und er hoffe, „irgendwann in aller Ruhe mein zweites Leben“ beginnen zu
       können.
       
       27 Jan 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/eigenkapital/eigenkapital.htm
   DIR [2] http://www.hansaheavylift.de/home/
   DIR [3] http://www.gala.de/stars/news/weinende-maenner-heul-doch_14560-i4764913.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Wolschner
       
       ## TAGS
       
   DIR Niels Stolberg
   DIR Betrug
   DIR Reederei
   DIR Bremen
   DIR Online-Shopping
   DIR Niels Stolberg
   DIR Niels Stolberg
   DIR Bremen
   DIR Niels Stolberg
   DIR Betrug
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Angeblich Bilanzbetrug beim Dax-Konzern: 1,9 Milliarden futsch bei Wirecard
       
       Chaos beim Online-Zahlungsabwickler Wirecard: Der Vorstand sieht sich als
       Opfer in einem Betrugsfall „erheblichen Ausmaßes“. Die Aktie stürzt ab.
       
   DIR Verfahren wegen Betrugs und Untreue: Unternehmer-Darling verurteilt
       
       Wegen schwerer Untreue und Bilanzfälschungen ist Niels Stolberg zu
       dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Der Ex-Vorzeige-Reeder wird die
       Strafe wohl nicht antreten.
       
   DIR Reederei-Pleite vor Gericht: Der Außenseiter Niels Stolberg
       
       Während das Landgericht gegen den Gründer der Beluga-Reederei verhandelt,
       fragen sich Viele, warum Bremen ihm nicht geholfen hat, als er in
       Schwierigkeiten geriet.
       
   DIR Prozess gegen Niels Stolberg: Geständnis eines Erfolgsverwöhnten
       
       Vor Gericht verrichtet der einstige Bremer Vorzeige-Reeder und „Unternehmer
       des Jahers“ von einst Niels Stolberg Trauerarbeit.
       
   DIR Aufstieg und Fall eines Reeders: Flieg nicht zu hoch, mein kleiner Freund
       
       Niels Stolberg wollte immer mehr sein als der gefeierte Unternehmer: Er
       richtete Studiengänge ein und gründete Waisenhäuser. Eine Würdigung.
       
   DIR Reeder in Bedrängnis: Erfolgsmensch vor Gericht
       
       In Bremen beginnt der Prozess gegen den erfolgreichen Schwergutreeder Niels
       Stolberg. Systematisch und über Jahre soll er Geschäftspartner betrogen
       haben.
       
   DIR Kommentar Anklage Niels Stolberg: Der charmante Bankrotteur
       
       Der Fall der vermeintlichen "Green Shipping GmbH" erinnert daran, dass das
       System Niels Stolberg undenkbar gewesen wäre ohne die freudige Bereitschaft
       von JournalistInnen, sich von ihm einseifen zu lassen.
       
   DIR Versickerte Spendengelder: Spendenshow im Beluga-Sog
       
       RTL ruft heute wieder zum Spendenmarathon auf. Dabei sind vor drei Jahren
       Spendengelder bei der Bremer Beluga-Reederei versickert.
       
   DIR Bremer Waffengeschäfte mit Kongo & Myanmar: Panzer für Krisenstaaten
       
       Nach Berichten des NDR ermittelt die Staatsanwaltschaft Bremen wegen
       illegalen Waffenhandels gegen die insolvente Beluga-Reederei von Niels
       Stolberg.
       
   DIR Raus aus der Pleite: Beluga-Reederei versucht Neustart
       
       Verbliebene Schiffe sollen ab Montag wieder Ladung transportieren, sagt der
       Insolvenzverwalter. Ein Grundstock an Aufträgen sei vorhanden. Der
       Hedgefonds Oaktree will das angeblich finanzieren.
       
   DIR Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Stolberg: Absturz eines Vorzeige-Reeders
       
       Niels Stolberg wurde in Bremen gefeiert als ein Unternehmer, der nicht nur
       gute Geschäfte macht, sondern auch Gutes tut. Jetzt hat er seine Macht
       verloren - und die Staatsanwaltschaft am Hals.
       
   DIR KOMETENHAFTE KARRIERE: Stolberg am Ende
       
       Bremens renommiertester Neu-Reeder Niels Stolberg scheidet aus dem von ihm
       aufgebauten Unternehmen Beluga aus. Ein amerikanischer Hedgefonds
       übernimmt.