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       # taz.de -- Kampfansage an „Coffee to go“: Berlin riskiert seine Pappe
       
       > Umweltpolitiker und -organisationen sagen dem Einweg-Kaffeebecher den
       > Kampf an. Manche bringen sogar eine Abgabe pro One-way-Behälter ins
       > Gespräch.
       
   IMG Bild: Manch ein Einweg-Becher spürt nach seinem Gebrauch eine große innere Leere.
       
       Eine Welle überspült Berlin, ach was: ein Tsunami. Tag für Tag werden die
       Mülleimer mit Hunderttausenden Coffee-to-go-Bechern geflutet, und weil die
       Dinger leicht, aber voluminös sind, quellen sie über wie der böse süße Brei
       im Märchen. Hinzu kommt eine denkbar miese Ökobilanz. Umweltpolitiker und
       -organisationen haben dem Einwegwahn aus Pappe und Kunststoff jetzt den
       Kampf angesagt: Sie fordern den Handel auf, ein Mehrwegsystem aufzubauen –
       wenn gar nichts hilft, wäre aber auch eine Abgabe auf jeden verkauften
       Ex-und-hopp-Kaffeebecher denkbar.
       
       Nicht weniger als 170 Millionen solcher Becher – durchschnittlich 49 Stück
       pro Kopf und Jahr – werden nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH)
       Jahr für Jahr in Berlin verbraucht. Trinken wir wirklich so viel
       Unterwegskaffee? Tobias Quast, Projektmanager Kreislaufwirtschaft bei der
       DUH, bekräftigt das: Die Zahlen stammten aus einer Studie des deutschen
       Kaffeeverbands und einer repräsentativen Umfrage unter 1.000 BerlinerInnen,
       die TNS Emnid für die Umwelthilfe durchgeführt habe. „Natürlich gibt es
       viele Leute, die keine Einwegbecher verwenden“, räumt Quast ein, „aber bei
       anderen liegt der jährliche Verbrauch weit im dreistelligen Bereich.“
       
       In einem Schreiben haben deshalb jetzt die umweltpolitischen SprecherInnen
       aller fünf Fraktionen im Abgeordnetenhaus den Handel aufgefordert, ein
       Mehrwegsystem einzurichten. Aber: Wird damit das To-go-Prinzip nicht ad
       absurdum geführt? Und lässt sich so etwas umsetzen?
       
       Silke Gebel von der Grünenfraktion und ihr SPD-Kollege Daniel Buchholz sind
       sicher, dass es dafür genug Rückhalt in der Bevölkerung gibt: „85 Prozent
       der Berliner finden, dass Einwegbecher öffentliche Papierkörbe überlasten
       und Plätze sowie Parks verschmutzen“, schreiben sie in einer gemeinsamen
       Erklärung mit der DUH. Was die Praktikabilität angeht, sollen zunächst
       große Anbieter wie Coffeeshop-, Fastfood- und Bäckereiketten angesprochen
       werden: „Das sind rund 30 in Berlin“, so Gebel zur taz. „Wenn die ein
       Mehrwegsystem einführen würden, wäre ein sehr großer Teil des Problems
       abgedeckt.“
       
       Am 8. Februar wird es ein erstes Gespräch zwischen Politik und Einzelhandel
       geben. Die Umwelthilfe befindet sich laut Tobias Quast schon länger im
       Dialog mit den großen Kaffeeausschenkern. „Wenn man etwa eine Pool-Lösung
       anstrebt, gibt es natürlich viele Fragen zu klären: Welche Becher sind am
       besten für Mehrweg geeignet, wie wird die Hygiene gewährleistet? Und
       natürlich: Was kostet es?“
       
       Was Preise betrifft, schwebt der DUH darüber hinaus eine Abgabe auf
       Einwegbecher vor: 20 Cent sollten für jeden fällig werden, das würde die
       Hemmschwelle der KundInnen beim Kauf erhöhen und Mehrweg attraktiver
       machen. Zumal es auch jetzt schon bei Anbietern wie Starbucks möglich ist,
       sich mitgebrachte Gefäße – etwa den schicken grünen Thermosbecher der
       [1][DUH-Kampagne „Becherheld“] – befüllen zu lassen.
       
       ## „Erst einmal keine Abgabe“
       
       Die Politiker halten sich mit solchen Forderungen zurück, auch die Grünen:
       „Wir fordern erst einmal keine Abgabe“, stellt Silke Gebel klar. „Eine
       Abgabe ist ein scharfes Schwert, aber es wäre der zweite Schritt vor dem
       ersten. Wir wollen erreichen, dass der Handel das Mehrwegprojekt umsetzt.
       Das würden wir dann mit sanftem Druck begleiten.“
       
       Dabei haben die Grünen gerade eine Voraussetzung für eine Becherbesteuerung
       geschaffen: In einem von ihnen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten
       bestätigt der Wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses, dass die
       Einführung einer Berliner Verbrauchsteuer nicht gegen Bundesrecht
       verstieße. Anders verhält es sich übrigens bei Plastiktüten, weil die – so
       jedenfalls das gedankliche Konstrukt der Juristen – nicht in unmittelbarer
       Nähe zum Ort ihres Erwerbs „konsumiert“ werden.
       
       Für die Gestaltung eines Mehrwegbechers, den ja alle Anbieter ausgeben und
       zurücknehmen müssten, schwebt Gebel ein positives Branding vor, „etwa ein
       ‚Bärenbecher‘ “. Dass der Einzelbecher dann keine Werbefläche für einen
       Anbieter mehr wäre, findet sie nicht so entscheidend: „Schließlich ist es
       jetzt eher Negativwerbung, wenn die Becher mit dem Logo aus vollen
       Mülleimern quellen.“
       
       1 Feb 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.duh.de/index.php?id=5145
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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