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       # taz.de -- Die EU und der „Brexit“: Tusk brät britische Extrawurst
       
       > Der Vorschlag der EU-Kommission zur Vermeidung eines „Brexit“ liegt auf
       > dem Tisch. Cameron sieht Fortschritte. Entscheiden wird der nächste
       > EU-Gipfel.
       
   IMG Bild: Polnische Delikatessen wie hier in der Grafschaft Kent sind in Großbritannien durchaus beliebt.
       
       Brüssel taz | Jahrelang konnte Großbritannien nicht genug davon bekommen.
       Billige Arbeitskräfte aus Polen, Bulgarien und Rumänien wurden auf der
       Insel mit offenen Armen empfangen. Doch damit soll nun Schluss sein. Um die
       britischen Europagegner zu besänftigen, plant die EU einen tiefen
       Einschnitt in die Arbeitnehmerfreizügigkeit.
       
       Dies geht aus den Vorschlägen hervor, die EU-Ratspräsident Donald Tusk am
       Dienstag in Brüssel vorgelegt hat. So soll London das Recht erhalten,
       Arbeitnehmern aus anderen EU-Ländern künftig Sozialleistungen bis zu vier
       Jahre zu verweigern. Die „Notbremse“ zur Abschottung des britischen
       Arbeitsmarktes hatte Premier David Cameron gefordert, Tusk stimmte zu.
       Bislang sollen alle EU-Staaten einer solchen Notbremse zustimmen müssen, um
       sie in Kraft zu setzen.
       
       Ferner muss das Vereinigte Königreich sich nicht enger an die EU binden.
       Tusk will Cameron eine Ausnahme von der „immer engeren Union“ gewähren, die
       im Vertrag von Lissabon verankert ist. Beim Euro und beim Schengen-System
       zur Reisefreiheit macht London schon bisher nicht mit. Künftig dürften
       weitere „Opt-Outs“ hinzukommen.
       
       Doch damit ist die Liste der britischen Extrawürste nicht zu Ende. So soll
       künftig schon eine Gruppe von 55 Prozent der Mitgliedstaaten ausreichen, um
       EU-Gesetze zu kassieren oder Änderungen zu verlangen. Viele Briten sind der
       Meinung, dass ihr Land in der Gesetzgebung zu viele Kompetenzen an Brüssel
       abgegeben habe.
       
       Erhört wurde Cameron auch beim Thema Euro-Währungsunion. So sagte Tusk zu,
       dass britische Personen und Firmen nicht diskriminiert werden dürfen, weil
       sie nicht zur Euro-Zone gehören. Großbritannien erhalte aber kein
       Veto-Recht bei Entscheidungen der Euro-Staaten, machte Tusk in seinem Brief
       an die anderen EU-Regierungen deutlich.
       
       Das Schreiben soll nun als Grundlage für einen Beschluss beim nächsten
       EU-Gipfel am 18. und 19. Februar dienen. Dort steht die britische
       Wunschliste ganz oben auf der Tagesordnung – noch vor der Flüchtlingskrise.
       Dabei gehört Großbritannien zu den Ländern, die sich einer gemeinsamen
       Lösung der Flüchtlingskrise verweigern.
       
       Zur Begründung heißt es in Brüssel, dass der Brexit – also ein britischer
       Austritt – derzeit die größte Gefahr für die EU sei. Er könnte eine
       Kettenreaktion auslösen, Cameron dürfe das EU-Referendum deshalb auf keinen
       Fall verlieren. Der britische Premier hatte die Volksabstimmung bei seiner
       Wiederwahl vor einem Jahr versprochen; sie könnte schon im Juni
       stattfinden. Voraussetzung ist allerdings, dass alle 28 Mitgliedsstaaten
       beim Februar-Gipfel den Tusk-Vorschlägen zustimmen.
       
       Doch sind die Vorschläge aus Brüssel wirklich geeignet, eine Niederlage bei
       einem Referendum auf der Insel zu verhindern? Cameron scheint dies zu
       glauben. Man habe „echte Fortschritte“ gemacht, es bleibe aber noch einiges
       zu tun, teilte er auf Twitter mit. Sein größter Widersacher, Nigel Farage
       von der europafeindlichen Ukip widersprach: Die Vorschläge seien
       „erbärmlich“ ,teilte er ebenfalls auf Twitter mit. Statt einer Notbremse
       fordern die EU-Gegner einen Platz auf dem Fahrersitz.
       
       2 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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