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       # taz.de -- Wahlverschiebung im Kongo: Kein guter Rutsch
       
       > Die für Ende 2016 angesetzte Wahl wird nicht fristgerecht stattfinden.
       > Die Opposition ruft zum Widerstand auf.
       
   IMG Bild: Will bleiben: Präsident Joseph Kabila.
       
       Brüssel taz | Jetzt ist es so gut wie offiziell: Die für November 2016
       geplanten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Demokratischen
       Republik Kongo können nicht fristgerecht stattfinden. Das Ansinnen von
       Präsident Joseph Kabila, über das Ende seiner zweiten gewählten Amtszeit im
       Dezember dieses Jahres hinaus an der Macht zu bleiben, scheint Früchte zu
       tragen. Die Opposition in dem 75 Millionen Einwohner zählenden riesigen
       Land, das noch nie einen friedlichen demokratischen Machtwechsel erlebt
       hat, bläst nun zum Widerstand.
       
       Die im Kongo „glissement“ (Rutsch) genannte Wahlverschiebung auf
       unbestimmte Zeit wurde am 28. Januar vom Präsidenten der Wahlkommission,
       Corneille Nangaa, so deutlich bestätigt, wie man das machen kann, ohne es
       direkt zu sagen. Vor den Wahlen, sagte er nach einem Treffen mit der
       Regierung und Vertretern der Geberländer in der Hauptstadt Kinshasa, müsse
       das Wahlregister auf den aktuellen Stand gebracht werden, und das werde 13
       bis 16 Monate dauern. Der offizielle Wahltermin ist aber der 28. November,
       also in weniger als zehn Monaten.
       
       Die Aktualisierung des Wahlregisters ist nötig, um die acht bis zehn
       Millionen Erstwähler einzutragen, die erst seit den letzten Wahlen 2011
       volljährig geworden sind, und die seit 2011 Verstorbenen zu streichen. Das
       Wahlregister von 2011 wurde außerdem damals als voller Fehler kritisiert.
       
       Beobachter in Kinshasa gehen davon aus, dass die Regierung sich hinter
       diesen technischen Zwängen verstecken will, um eine Verlängerung der
       Amtszeit des Präsidenten sowie des Parlaments bis mindestens März, wenn
       nicht Juni 2017 als alternativlos erscheinen zu lassen. Wobei diese Termine
       voraussetzen, dass die Wahlkommission das Wahlregister tatsächlich
       überarbeitet. Ihre erste entsprechende Ankündigung datiert von März 2015;
       damals wurde die nötige Zeit mit acht Monaten angegeben.
       
       Allein die Vorbereitung der Ausschreibung für die nötigen Materialien
       dauerte dann fast ein Jahr; sie soll nun am 10. Februar veröffentlicht
       werden. Dann muss das Parlament noch die entsprechenden Gesetze
       verabschieden. Seine nächste ordentliche Sitzung beginnt erst im März.
       
       Für Kinshasas größte Tageszeitung Le Potentiel bedeutet all dies, „auf
       Verfassungsleichen zu gehen“. Vielleicht demnächst auch auf menschlichen.
       Schon im Januar 2015 forderten Proteste in Kinshasa und Goma gegen den
       unterstellten Willen Kabilas, über 2016 hinaus an der Macht zu bleiben,
       Dutzende Tote. Zu Weihnachten 2015 organisierte Innenminister Évariste
       Boshab in Kinshasa eine Parade neuer Antiaufstandsfahrzeuge der Polizei,
       und seitdem hat er vor der Presse neue gepanzerte Wasser- und
       Tränengaswerfer präsentiert.
       
       Kongos Opposition will sich davon nicht einschüchtern lassen. Die drei
       bekanntesten Oppositionsführer des Landes trafen sich am 2. Februar in
       Brüssel, um einen gemeinsamen Aufruf zur „Mobilisierung“ der kongolesischen
       Bevölkerung zum Schutz der Verfassung zu lancieren – er zirkuliert jetzt
       per Video.
       
       Zusammen kamen Felix Tshisekedi, Sohn des historischen demokratischen
       Oppositionsführers Etienne Tshisekedi, der schon gegen die Mobutu-Diktatur
       Widerstand leistete; Vital Kamerhe, ehemaliger Parlamentspräsident, der
       noch 2006 Kabilas Wahlkampf geleitet hatte und dann mit dem Präsidenten
       brach; und schließlich Moise Katumbi, der ehemalige Gouverneur der
       mittlerweile abgeschafften Provinz Katanga und Präsident von Kongos
       wichtigstem Fußballverein TP Mazembe, mehrfacher Afrika-Champion.
       
       Tshisekedi mit seiner Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen
       Fortschritt), Kamerhe mit seiner UNC (Union für die kongolesische Nation)
       und der parteilose Katumbi mit seinem Charisma haben schon jeder für sich
       imposante Menschenmengen auf die Straße gebracht – mit vereinten Kräften
       könnten sie etwas bewegen.
       
       Sie wollen friedlich bleiben, beteuern die Oppositionsführer. Katumbi ist
       der aktivste von ihnen. Seit Mitte Januar ruft er seine Anhänger in Katanga
       auf, mittags zwei Minuten auf der Straße zu beten, was die Behörden ärgert,
       weil sie im sehr religiösen Kongo schlecht Leute wegen Gebets verhaften
       können. In Katangas Hauptstadt Lubumbashi haben die Behörden nun ein
       Versammlungsverbot ausgesprochen, das auch für religiöse Zusammenkünfte
       gilt. Jetzt lassen sich verhaftete Oppositionelle vorzugsweise beim Gebet
       hinter Gittern fotografieren.
       
       4 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Francois Misser
       
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