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       # taz.de -- Kite-Surfen im Naturschutzgebiet: „Nicht unsere Spielwiese zerstören“
       
       > Wie viel Sport verträgt das Wattenmeer? In Kiel verhandeln Kitesurfer und
       > Umweltminister Robert Habeck über eine Lösung für Natur und Freizeitspaß.
       
   IMG Bild: Noch dürfen Sportler in Schleswig-Holstein im Wattenmeer surfen - oder es zumindest versuchen
       
       KIEL taz | Die junge Robbe war neugierig: „Sie steuerte auf uns zu, folgte
       uns, sogar das Board hat sie einmal zurückgebracht“, schreibt Hauke Hinz,
       Kitesurf-Trainer in einer mobilen Surfschule in St. Peter-Ording auf seiner
       Homepage. Das sei ein Tag gewesen, „der wohl allen in Erinnerung bleiben
       wird, den Schülern und der Robbe“.
       
       Klar habe niemand den Heuler berührt oder gefüttert, beteuern die Surfer –
       dennoch deutet dieses Mensch-Seehund-Treffen auf einen Konflikt hin, der
       inzwischen die Politik in Kiel und Berlin beschäftigt: Wie viel Sport ist
       okay im Nationalpark Wattenmeer?
       
       „Zurzeit haben wir eine Lage, in der es nur Verlierer gibt“, sagte der
       schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (Grüne) nach einem
       Gespräch mit rund 20 VertreterInnen verschiedener Kitesurf-Organisationen,
       Segelverbände und weiteren regionalen und bundesweiten Interessengruppen.
       Kiten kombiniert Windsurfen und Drachenfliegen. Die Sportler gleiten auf
       dem Board über die Wellen, das Segel hebt sie zu Luftsprüngen.
       
       Der Sport liegt seit Jahren im Trend. Die Nordseeküste mit ihrer hohen
       Brandung ist ein ideales Revier. Allerdings steht das Wattenmeer unter
       Naturschutz, unter anderem wegen der Vögel, die hier auf ihren Wanderungen
       rasten. Werden sie aufgescheucht, futtern sie sich zu wenig Fettpolster an,
       um den Weiterflug ins Brutgebiet zu überstehen.
       
       Der Streit um den Sport im Watt schade allen Beteiligten, meint Habeck:
       „Die Umweltschützer stehen als Spaßbremsen da, die jeden Sport verbieten
       wollen – die Kitesurfer kommen in Verruf, keine Rücksicht auf die Natur zu
       nehmen.“ Dabei seien sich beide Seiten über die Sache einig: Streit gebe es
       vor allem über das Prinzip.
       
       Um welches Prinzip es geht, erklärte Nadine Reimers vom regionalen Verein
       Board-Sport in St. Peter-Ording: „Für uns ist ein generelles
       Kitesport-Verbot nicht tragbar.“ Allerdings wäre ein Verbot aus Sicht der
       Verwaltung der juristisch sauberste Weg.
       
       Es würde grundsätzlich für den ganzen Nationalpark Wattenmeer gelten und an
       einigen Stellen durch Ausnahmegenehmigungen gelockert werden. So ein Verbot
       hat Niedersachsen ausgesprochen: Um das Wattenmeer als Unesco-Weltnaturerbe
       zu schützen, und um Vögel und Robben nicht zu stören, „ist das Kitesurfen
       nicht gestattet.
       
       „Auf Antrag der Gemeinden können jedoch Flächen dafür zugelassen werden“,
       heißt es für die niedersächsische Nordseeküste. Faktisch ist damit
       Kitesurfen erlaubt, aber die Verbände sind misstrauisch: „Wir wollen den
       Sport dauerhaft absichern, auch wenn die Verwaltung von einer anderen
       politischen Haltung bestimmt wird“, sagte Jürgen Vogt von der Global
       Kitesurf Association, einer Vereinigung mit Sitz in Deutschland.
       
       Die Vielzahl von Vereinen und Verbänden rund um den Kitesport macht es für
       die Politik schwierig, die richtigen Gesprächspartner zu finden. In ihrem
       Nein zu einem Verbot sind sich Surftrainer, Seglerverbände und
       Profisportler aber einig. Gleichzeitig sagt Vogt zu, dass die Verbände und
       ihre Mitglieder die Naturschutzzonen achten und dafür sorgen werden, dass
       ortsfremde Kiter nicht in Vogelreviere oder Muschelbänke eindringen: „Wir
       wollen die Natur erhalten, schließlich wollen wir nicht unsere eigene
       Spielwiese kaputtmachen.“
       
       Wo die Spielwiese endet und die Natur zu ihrem Recht kommen muss, hat das
       Nationalparkamt in Schleswig-Holstein in den vergangenen Monaten geklärt:
       Bei Gesprächen in Küstenorten kamen Naturschutz, Gemeinden und Sportler
       zusammen. Daraus entstanden vorläufige Karten verschiedener Nutzungszonen.
       Sie schließen die Orte ein, an denen schon heute gekitet wird. Das wäre
       also weder Verbesserung noch Verschlechterung, würde aber Rechtssicherheit
       herstellen.
       
       Die Karte soll nun verfeinert werden, dann sind weitere Gespräche mit den
       Kite-Verbänden denkbar. Am Ende kann ein Antrag an das
       Bundesumweltministerium stehen, das für den Nationalpark zuständig ist. Mit
       einer schnellen Lösung rechnet Habeck nicht: „Der Bund ist Spitze darin,
       Anträge nicht zu bearbeiten.“
       
       Dennoch gelte: Je einiger sich alle Seiten seien, desto wahrscheinlicher
       sei, dass der Bund am Ende zustimmt. Aber der Streit um den Status des
       Nationalparks zeigt bereits erste Folgen: Der Kitesurf World Cup, der zehn
       Jahre lang am Strand von St. Peter-Ording stattfand, wird 2016 nach Fehmarn
       verlegt.
       
       11 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
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