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       # taz.de -- Flüchtlingsunterbringung in Hamburg: Warnung vor „Olaf-Scholz-Ghettos“
       
       > In Hamburg gewinnt der Protest gegen geplante Unterkünfte für Flüchtlinge
       > an Schärfe. Bürgerinitiativen drohen mit einem Volksentscheid.
       
   IMG Bild: Demonstration gegen große Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg
       
       Hamburg taz | Am Donnerstag haben mehrere hundert Menschen in Hamburg gegen
       den Bau von Großunterkünften für Flüchtlinge protestiert. Aufgerufen hatte
       der Dachverband „Ifi“, „Initiativen für erfolgreiche Integration“, der neun
       Bürgerinitiativen umfasst. Ihr Motto: „Integration Ja, Olaf Scholz-Ghettos
       nein“.
       
       Ein Slogan, der vor allem eines deutlich machen soll: Nicht aus
       fremdenfeindlichen Motiven gingen die Menschen auf die Straße, sondern aus
       „Sorge um die Bildung von Ghettos“ im eigenen Stadtteil, wie
       Dachverbandssprecher Klaus Schomacker in einer Eingangsrede betonte.
       
       „Im Mittelpunkt aller Bemühungen muss die Integration der Menschen stehen,
       nicht nur deren Unterbringung“, sagte er. Der Verband wirft dem Senat vor,
       nach „bequemen Lösungen“ zu suchen, ohne die „Integrationsfähigkeit der
       Stadtteile“ zu berücksichtigen. In Großsiedlungen mit bis zu 4.000
       Flüchtlingen könne Integration nicht gelingen, sinnvoller sei die „maximale
       Dezentralisierung“.
       
       Knapp 40.000 Plätze für Flüchtlinge will der Hamburger Senat noch in diesem
       Jahr schaffen, 5.600 Wohnungen sollen bis Weihnachten bezugsfertig sein.
       Die Expresswohnungen sollen dem Standard des sozialen Wohnungsbaus
       entsprechen, „Billigbauten im Plattenbau-Stil“ sind laut
       Stadtentwicklungsbehörde nicht geplant. Allein in Neugraben-Fischbek, ein
       südlich der Elbe gelegener Stadtteil mit knapp 1.300 Einwohnern, ist eine
       Siedlung für 3.000 Flüchtlinge geplant.
       
       ## Hitzige Debatte im zuständigen Ausschuss
       
       In der Sitzung des Stadtentwicklungsauschusses, die wegen des
       Besucherandrangs ins Hamburger Congress Center verlegt wurde, machten die
       Initiativen nach ihrem Protestzug am Donnerstag ihrem Ärger Luft. In einem
       offenen Brief hatte der Verband zuvor bereits Bürgermeister Olaf Scholz
       dazu aufgefordert, seine „autoritäre Basta-Politik“ zu beenden. Auch
       während der hitzigen Debatte warfen die Initiativen dem Senat vor, „keine
       echte Bürgerbeteiligung“ zu ermöglichen.
       
       Ihre Forderung: Die Einrichtung eines „fairen Verteilungsschlüssels“.
       Derzeit nähmen 32 Stadtteile in Hamburg 80 Prozent der Flüchtlinge auf.
       Alle Flüchtlinge seien insgesamt in nur 59 Stadtteilen der Stadt
       untergebracht. In 45 Vierteln gebe es dagegen noch gar keine Unterkünfte.
       Verbandssprecher Schomacker schlug vor, die Flüchtlinge mit einem
       „Viertel-Mix“ in das Wohnungsbauprogramm zu integrieren: Zu je einem
       Viertel könnten Flüchtlingsunterkünfte, sozialer Wohnungsbau, Eigentum und
       frei finanzierter Wohnungsbau entstehen. Zudem könnten durch die Nutzung
       von Büroleerstand oder den Ausbau von Dachgeschossen in Hamburger Wohnungen
       weitere Plätze geschaffen werden.
       
       Die Vertreter des Senats reagierten verhalten auf die Vorschläge. „Wir
       danken ihnen für ihr Engagement“, sagte Stadtentwicklunssenatorin Dorothee
       Stapelfeldt. Ändern wolle der Senat seine Pläne aber nicht: Um die
       Obdachlosigkeit tausender Flüchtlinge zu verhindern, sei der schnelle Bau
       von Mehrfamilienhäusern „alternativlos“, so Stapelfeldt.
       
       ## „Das ist wie ein Flächenbrand“
       
       Ein Ergebnis, mit dem sich die Bürgerinitiativen nicht zufrieden geben. In
       der nächsten Woche sollen fünf weitere Initiativen zum Dachverband stoßen.
       Dieser will nun einen Volksentscheid zur Frage der Großunterkünfte auf den
       Weg bringen.
       
       „Wir geben keine Ruhe. Das ist wie ein Flächenbrand“, sagte
       Verbandssprecher Klaus Schomacker. Dass ein Volksentscheid polarisieren
       könne, sei ihm bewusst. „Wir sind nicht gegen Flüchtlinge und wollen eine
       sachliche Debatte führen. Mit rechten Bewegungen und Parteien wie der AfD
       werden wir sicher niemals zusammenarbeiten.“
       
       12 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Annika Lasarzik
       
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