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       # taz.de -- Flüchtlingsfrage auf der SiKo: Wohin mit den Schiffbrüchigen?
       
       > Die Bundesregierung will Flüchtlinge aus der Ägäis zurück in die Türkei
       > bringen. Dass die Türkei sie aufnimmt, steht aber nicht fest.
       
   IMG Bild: Szenen, die sich in der Ägäis wiederholen werden: Bootsflüchtlinge an Bord der Fregatte Hessen im Mai 2015 vor der libyschen Küste.
       
       München taz | Der erste Tag der Münchner Sicherheitskonferenz neigt sich
       dem Ende zu, da meint Mevlüt Çavuşoğlu noch etwas richtig stellen zu
       müssen. „Vielleicht gibt es da ein Missverständnis hinsichtlich der Rolle
       der Nato-Mission in der Ägäis“, setzt der türkische Außenminister am
       Freitagabend um kurz vor 20 Uhr an. Die Nato werde die türkische
       Küstenwache informieren, „wenn es einen Vorfall im türkischen Seeraum
       gibt“, sagt der AKP-Politiker. Mit Griechenland werde das genauso gemacht,
       „wenn es erforderlich ist, Menschen zu retten“.
       
       Es ist eine Aussage mit Sprengkraft. Denn da Schiffe der griechischen
       Küstenwache nicht die türkische Küste anlaufen dürfen, würde vom jeweiligen
       Hoheitsgewässer abhängen, an welches Ufer es ein von der Nato in Seenot
       identifizierter Flüchtling schafft. Das allerdings widerspricht der
       Darstellung der Bundesregierung. Doch Kanzleramtsminister Peter Altmaier
       (CDU), der neben Çavuşoğlu sitzt, erhebt keinen Widerspruch.
       
       Dafür behauptet Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) später
       im ZDF-“heute journal“, Ankara habe bei den Verhandlungen am vergangenen
       Mittwoch „sofort eingewilligt“, dass „alle“ aus der Türkei kommenden
       Flüchtlinge, die aufgenommen werden, „wieder in die Türkei zurückgebracht
       werden“. Das sei „entscheidend“ und „ein klares Signal“ – nur: stimmt es
       auch?
       
       Wessen Wort gilt, das der deutschen Verteidigungsministerin oder das des
       türkischen Außenministers, wird sich bald in der Praxis zeigen. Der bislang
       vor Zypern lagernde Nato-Marineverband SNMG2 ist bereits auf dem Weg von
       Zypern in die Ägäis. Er wird vom deutschen Versorgungsschiff „Bonn“ geführt
       und steht unter dem Kommando des deutschen Flottillenadmirals Jörg Klein.
       
       ## Legale Einreise nicht in Sicht
       
       Der Verband soll, so von der Leyen, „gemeinsam mit Frontex die griechischen
       und türkischen Küstenschutzverbände in ihrem Kampf gegen das
       Schleuserunwesen“ unterstützen. Vor allem soll er jedoch der
       Flüchtlingsabwehr dienen. Denn zur Schleuserbekämpfung gäbe es ein weit
       wirksameres Mittel: die Ermöglichung einer legalen und sicheren Einreise
       von Flüchtlinge in die EU - doch die ist nicht in Sicht.
       
       Die Flüchtlingskrise ist das dominierende Thema des ersten Konferenztages
       im altmodischen Luxushotel Bayerischer Hof. Sie habe eine wirtschaftliche,
       eine geopolitische, eine humanitäre, eine soziale, eine nationale, eine
       geostrategische und eine sicherheitspolitische Dimension, sagte der bereits
       oben erwähnte Peter Altmaier. Doch dafür wurde die Debatte zu unterkomplex
       geführt. Was möglicherweise auch an der Auswahl der Diskutanten lag. So ist
       die griechische Syriza-Regierung überhaupt nicht auf der Konferenz
       vertreten.
       
       In zahlreichen Beiträgen wurde die Menschenrechte und die Humanität
       beschworen. Doch das wirkte zumeist schal und zynisch. Ein Musterbeispiel
       dafür lieferte ausgerechnet Altmaier. „Wann immer das Leben von Menschen
       gefährdet ist, dann müssen wir unseren europäischen und humanitären
       Verpflichtungen nachkommen und müssen sie retten“, sagte er – um dann
       direkt einschränkend hinzuzufügen: „Das schließt aber nicht aus, dass wir
       sie vielleicht in ein anderes Land zurückschicken, woher sie kommen, wenn
       dieses Land sicher ist und wenn sie dort anständig behandelt werden.“
       
       ## Lob für die Türkei
       
       Welches Land er damit insbesondere meint, auch daran ließ er keinen
       Zweifel. Über den grünen Klee lobte er die Türkei. Die habe sich bei der
       Aufnahme von Flüchtlingen nicht nur „so verhalten, dass sie sich mehr den
       humanitären Werten und den Werten der internationalen Staatengemeinschaft
       verpflichtet sieht als viele andere Staaten außerhalb dieses
       Bürgerkriegsgebiets“. Er sei zudem der Überzeugung, „dass die Türkei
       zumindest für Flüchtlinge ein sicherer Staat ist“.
       
       Zumindest für Flüchtlinge? Die Einschränkung hat einen guten Grund. Denn so
       brauchte Altmaier mit keinem Wort mehr das brutale militärische Vorgehen
       der türkischen Armee in den kurdischen Gebieten und die desolate
       Menschenrechtssituation in dem Land am Bosporus thematisieren. Das wäre ja
       auch störend.
       
       Mit einem gewissen Bedauern in der Stimme konstatierte Italiens
       Außenminister Paolo Gentiloni, dass mit einem solchen Taschenspielertrick
       den Problemen der römischen Regierung nicht beizukommen ist. Denn die
       Flüchtlinge, die in Italien landen, kommen zu einem Großteil aus Libyen.
       Und dieses Land sei „ganz sicher kein sicheres Land“, sagte Gentiloni.
       
       13 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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