# taz.de -- Rekommunalisierung der Bremer Müllabfuhr: Unsaubere Einmischung
> Obwohl sie es formal nicht darf, wirkt die Firma Nehlsen hinter den
> Kulissen daran mit, wie künftig die Müllabfuhr in Bremen organisiert
> werden soll.
IMG Bild: Mischt sich in die Bremer Müllabfuhr ein: Firma Nehlsen.
Bremen taz | Wie die Bremer Müllabfuhr ab dem Jahre 2018 organisiert werden
soll, darüber wird auch nach zwei Jahren politischer Beratung in Bremen
gestritten. Sie soll nicht rekommunalisiert, aber unter dem Dach einer
„Anstalt öffentlichen Rechts“ (AöR) geführt werden. So hat es die Koalition
beschlossen. Wie das genau aussehen soll, ist umstritten.
Allerdings: Nach Informationen der taz wirkt die Privatfirma Nehlsen hinter
den Kulissen kräftig mit und mischt sich in die politischen Prozesse ein.
Dabei hat das Unternehmen rein formal mit den internen Beratungen der
Senatsverwaltung nichts zu tun – und darf das auch nicht.
Denn bei einer anstehenden europaweiten Ausschreibung der Müllentsorgung
könnten andere Bewerber klagen, dass Nehlsen einen Wettbewerbsvorteil
hatte.
Nehlsen sorgt bislang in Bremen für die Müllabfuhr – und hat laut
Gewerkschaft Verdi eine „Zweiklassengesellschaft“ unter den Beschäftigten:
Einige hundert Mitarbeiter bekommen mit ihren alten Verträgen den Tarif des
Öffentlichen Dienstes, die meisten nicht einmal den Tarif der privaten
Entsorger. Um ihre Ziele durchzusetzen, hatte die Gewerkschaft sogar
Unterschriften für einen Volksentscheid zur Rekommunalisierung gesammelt.
Doch nachdem weder von den Grünen, die gern über Rekommunalisierung reden,
noch von den Sozialdemokraten, die sich gern als Verfechter
gewerkschaftlicher Interessen darstellen, große Unterstützung kam, hat
Verdi nun resigniert und das Projekt „Volksbegehren“ klammheimlich
begraben.
So haben derzeit haben die Unternehmensberater das Sagen. Eine Variante
beträfe den Bremen-eigenen „Umweltbetrieb Bremen“ (UBB), der im Bereich von
Abfall und Straßenreinigung tätig ist. Der könnte sich zur „Anstalt
öffentlichen Rechts“ (AöR) umgründen, die anderen Bereiche der
Straßenreinigung übernehmen und auch als Dachgesellschaft für die
Müllabfuhr fungieren.
Doch vor einigen Tagen haben die Management-Berater von Econum ein
Gutachten vorgestellt, nachdem diese Variante ausscheidet. Und: Die Firma
Nehlsen will das nicht.
Der Senat nämlich will die Müllentsorgung zwar einer „AöR“ übertragen, die
soll aber nur wie ein Aufsichtsrat über einer Privatfirma thronen, die dann
die Arbeit macht. Und diese Privatfirma wird Nehlsen heißen. Denn der Senat
hat sich mit den Vorbereitungen für diese Neustrukturierung so viel Zeit
genommen, dass de facto kein anderer Bewerber mehr die technischen
Voraussetzungen erfüllen kann, im Jahre 2018 die Müllabfuhr in Bremen zu
gewährleisten. Nehlsen hingegen hat Betriebshöfe, Fahrzeuge, Mitarbeiter
und muss nur so weiter machen wie bisher.
Allerdings sollen die Bereiche, die mit Straßenreinigung und Abfall zu tun
haben, aus dem Umweltbetrieb UBB in die neue AöR übertragen werden. Die
Gewerkschaft Verdi protestiert gegen diese „Zerschlagung“, wie Kuhn es
formuliert – aber die Entscheidungen sind hinter den Kulissen längst
gefallen.
Nehlsen will mit dem UBB aus einem schlichten Grund nichts zu tun haben: Da
werden Löhne nach dem Tarifen des Öffentlichen Dienstes bezahlt. Und die
will Nehlsen nicht.
Zwar fordert die SPD, ab 2018 sollten „Tariflöhne“ in der Müllabfuhr
bezahlt werden. Welche Tarife, da legt sie sich nicht fest. Und wenn die
AöR bei der Müllabfuhr eine Minderheitenbeteiligung hat – nicht 51 Prozent,
wie in Niedersächsischen Kommunen üblich – kann sie hinterher auch immer
sagen, sie habe darauf keinen Einfluss. Nehlsen besteht also darauf, dass
die Kommune nicht 51 Prozent bekommt.
„Rekommunalisierung“ war einst ein Ziel der SPD, jedenfalls unter dem
früheren Vorsitzenden Andreas Bovenschulte. Unter dem neuen, dem
Gewerkschaftsfunktionär Dieter Reinken, scheint das nichts mehr zu gelten –
nicht einmal die Gewerkschaftsparole „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“
möchte der für die zukünftige Müllabfuhr unterschreiben, beklagt Verdi.
24 Feb 2016
## AUTOREN
DIR Klaus Wolschner
## TAGS
DIR Müllabfuhr
DIR Rekommunalisierung
DIR Lobbyismus
DIR Bremen
DIR Bremen
DIR Senat Bremen
DIR Müll
DIR Schwerpunkt TTIP
DIR Wahlkampf
DIR Bremen
DIR Kommunen
DIR Müllabfuhr
DIR Gleichberechtigung
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Abwassergebühren in Bremen: Abwasser soll teurer werden
Die Wassergebühren in Bremen sollen steigen – aber nicht zugunsten des
Versorgers Hansewasser, sondern für die kommunale Verwaltung des
Umwelt-Betriebes Bremen.
DIR Debatte um Müll-Rekommunalisierung in Bremen: Gegen die Empfehlung
Weil der Staat die Müll-Abholung nicht organisieren kann, soll das laut
Bremer Senats-Beschluss weiterhin eine Privatfirma machen. Gutachter sahen
das anders.
DIR Müllabfuhr zurück in städtische Hand?: Nur ein bisschen mitreden
Rot-Grün möchte sich nur ein bisschen am lukrativen Geschäft beteiligen.
Ver.di, Arbeitnehmerkammer und Ökonomen opponieren – mit einem neuen Buch.
DIR Jura-Prof Andreas Fisahn über Rekommunalisierung: „Aufgeschoben ist aufgehoben“
Zehn Jahre auf die Rekommunalisierung der Müllabfuhr hinzuarbeiten, hält
Fisahn angesichts der TTIP Verhandlungen für eine schlechte Idee.
DIR Die "Weiter so"-Politik der SPD: „Wir werden kämpfen müssen“
SPD-Chef Dieter Reinken über Machtdemonstration, die Schuldenbremse, eine
Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft und fehlende Wohnungsnot.
DIR Kommentar Müllabfuhr-Rekommunalisierung: Mehr als bloß Tarif
Als Gewerkschaft geht es Ver.di vor allem um die Müllwerker, die durch die
private Abfuhr nicht einmal Tariflöhne bekommen. Neu ist, dass sie dabei
auch auf Bürgerbeteiligung setzt.
DIR Müll-Rekommunalisierung: Die SPD kippt beim Müll - zumindest halb
Der Senat und die Grünen sind verärgert, die Linkspartei freut sich: Die
SPD hat sich zur „vollständigen Rekommunalisierung“ bekannt. Aber was folgt
daraus?
DIR Gutachten über Rekommunalisierung: Kommunal bringt’s total
Das vom Senat bestellte Gutachten rechnet die finanziellen Vorteile einer
vollständigen Rekommunalisierung vor – es bestätigt die ver.di-Forderung.
DIR Debatte um Umzug: Weite Reise für Müllwagen
Ein Teil der Müllabfuhr der Firma Nehlsen soll vom Stadtrand nach Hastedt
umziehen. Die ökologischen Folgen sind im Betriebsrat umstritten.
DIR Allein unter Männern: Die Müllfrau
Anja Roggendorf arbeitet in der Abfallwirtschaft. Seit zwei Jahren ist sie
die einzige Bremerin, die auf einem Müllfahrzeug arbeitet.