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       # taz.de -- Aufstand der Sozialarbeiter: Ruf beschädigt
       
       > Nach dem Bericht der Jugendhilfe-Inspektion zum Todesfall Tayler sehen
       > sich die Beschäftigten der Jugendämter von der Sozialsenatorin verraten.
       
   IMG Bild: Hat sich in den Jugendämtern nicht nur Freunde gemacht: Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD).
       
       HAMBURG taz | Vor Zorn hat sie einen Brief verfasst: Die Leiterin der
       Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) im Bezirk Altona hat jetzt an alle
       anderen ASD-Abteilungen geschrieben. Anlass ist, wie der Bericht der
       Jugendhilfe-Inspektion zum Tod des kleinen Tayler veröffentlicht wurde. Die
       daran anschließenden Medienberichte etwa seien in vielen Punkten „schlicht
       unzutreffend“: Die Behauptung, es handele sich in dem Fall um fachliches
       Versagen einer Mitarbeiterin, die zum Tod des Kindes geführt habe, sei eine
       Schuldzuweisung, die das „das Bild der Arbeit der Jugendämter weiterhin
       schädigt“.
       
       Der kleine Junge starb am 18. Dezember an den Folgen eines Schütteltraumas.
       Wie es genau dazu kam, ist noch nicht aufgeklärt, gegen die Mutter und
       ihren Freund wird ermittelt. Der Bericht, den Sozialsenatorin Melanie
       Leonhard (SPD) am Montag vorgelegt hatte, kommt zu dem Fazit, dass es
       keinen „unmittelbaren Zusammenhang“ zwischen dem ASD-Handeln und dem
       Kindstod gibt.
       
       Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass eine „sorgfältige und wiederholte
       Risikobewertung“ des Jugendamts „andere Bedingungen für die Sicherheit des
       Kleinkindes geboten hätte“, heißt es weiter. Gefehlt habe es unter anderem
       an einer „kollektiven Beratung“ vor der Rückführung des bereits einmal
       verletzten Kindes zur Mutter. Dies sei gegen die Regeln. Deren Anwendung
       aber sicher zu stellen, ist aus Sicht der Senatorin „eine Aufgabe der
       Leitungskräfte“.
       
       In dem Brief aus Altona heißt es nun, nicht eine einzelne Mitarbeiterin
       habe das Zurückgeben des Jungen an seine Mutter im Alleingang entschieden.
       Und es habe im Fall Tayler zwei kollegiale Beratungen gegeben. Und anders
       als von der Behörde dargestellt, spiele in den ASD die Arbeitsbelastung
       durch hohe Fallzahlen doch eine Rolle: Von 14,5 Stellen, die die Abteilung
       theoretisch habe, seien nur 11,1 besetzt.
       
       Sieglinde Friess, zuständig bei der Gewerkschaft Ver.di, kritisiert, dass
       weder die betroffene Abteilung noch irgendeinE ASD-KollegIn den Bericht
       erhielten. „Sie hören davon ganz erschrocken im Radio und fühlen sich von
       der Sozialsenatorin und ihrer Bezirksamtsleiterin verraten und verkauft.“
       Erste MitarbeiterInnen überlegten bereits, aus Altona wegzugehen, so
       Friess: „Die Unterstellung, es hätte der Tod mit ihnen zu tun, ist für sie
       ein unzumutbarer Vorwurf.“
       
       Der Bericht war bei Drucklegung dieser Ausgabe nach Redaktionsschluss auch
       Thema im Familenausschuss: Erneut verlangte Senatorin Leonhard die
       Einhaltung aller Regeln der Jugendhilfe. In diesem Punkt nennt indes die
       Linken-Abgeordnete Sabine Boeddinghaus den Bericht „fahrlässig“: Es werde
       der Eindruck erweckt, dass die Einhaltung aller Regeln den Tod des Jungen
       hätte verhindert können. „dabei kommt die Inspektion selber zu dem Schluss,
       dass es zu viele Regeln gibt.
       
       Ferner sucht die Linksfraktion Unterstützer für einer Enquete-Kommission zu
       den Strukturen der Jugendhilfe. In diese Richtung weist auch eine
       Stellungnahme von 24 Hochschullehrern der sozialen Arbeit „anlässlich des
       Todes von Tayler“: „Schuld und Schuldzuweisungen können entstandenes
       Unglück nicht ungeschehen machen oder zukünftige Fehleinschätzungen
       verhindern“, heißt es darin. Nötig sei eine Analyse des Jugendhilfesystems
       mit „ruhigen und fachlich fundiertem Blick“.
       
       25 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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