URI: 
       # taz.de -- Rassistische Vorurteile gegen Flüchtlinge: Blondinen willkommen
       
       > Woher kommt die Angst vor „großen Veränderungen“? Einst kamen Millionen
       > Russlanddeutsche. Größer ist die jetzige Flüchtlingswelle auch nicht.
       
   IMG Bild: Veränderung wird als Gefahr empfunden. Dabei ist Einwanderung nicht neu
       
       Österreich und die Balkanländer machen ihre Grenzen für Flüchtlinge dicht.
       Haben sie jetzt publikumswirksam auf einem Gipfel beschlossen. Dadurch
       machen sie Griechenland zu einem großen Flüchtlingslager. Ist das für die
       betroffenen Menschen so schlimm, wie es sich anhört? Und ist das ein
       Angriff auf Merkel?
       
       Die deutsche Regierung will ja die Türkei dazu bringen, die Flüchtlinge aus
       Syrien und anderswo in riesigen Zeltstädten vor und hinter den türkischen
       Grenzen einzuschließen. Die Griechen sollen dabei Teil der EU bleiben und
       ihre Grenzen und das Ägäische Meer nach außen abschotten.
       
       So gesehen ist die Initiative Österreich-Ungarns und der Balkanstaaten ein
       Affront. Aber ein für die deutsche Regierung verkraftbarer. Denn letztlich
       wollen die Südosteuropäer das Gleiche wie die Große Koalition in Berlin,
       nämlich: die Flüchtlingswelle, die Lawine, die Massen stoppen. Und zwar
       außerhalb ihrer Landesgrenzen.
       
       Manche Flüchtlinge haben die Türkei zum Ziel, um bald wieder in den Irak
       oder nach Syrien zurückzukehren. Viele aber wollen weiter, nach Mittel-
       oder Nordeuropa. Und für diese Menschen macht es nur einen geringen
       Unterschied, ob sie an türkischen, griechischen, österreichischen oder
       balkanesischen Zäunen hängen bleiben.
       
       ## Riss durch Bundesregierung, Parteien und Wähler
       
       Die Zahl der ankommenden Migranten an der Schengen-Außengrenze in
       Griechenland müsse deutlich reduziert werden, sagte Bundesinnenminister
       Thomas de Maizière am Donnerstag. Andernfalls müssten „andere Maßnahmen“
       auf europäischer Ebene ergriffen werden. „Wir können auch anders!“ Dieses
       Signal sendet auch Deutschland seit einiger Zeit aus. Es geht ein Riss
       durch die Bundesregierung, durch die Parteien, die Wähler. Hier wäre es
       hilfreich, wenn die Debatte etwas ehrlicher wäre, wo eigentlich die Gründe
       liegen für diesen Riss, für den Kampf der Meinungen.
       
       Angela Merkel in ihrer pragmatisch-humanitären Art nahm erst das
       Unvermeidliche hin: Niemand kriegt die Konflikte in Afrika und Asien auf
       die Schnelle in den Griff. Millionen Flüchtlinge kommen. Das Beste ist,
       diese Realität zu akzeptieren, die Menschen aufzunehmen und dann weiter
       sehen.
       
       Es dauerte ein wenig, aber dann kam bei Merkels Politkollegen wie bei ihren
       WählerInnen die Angst hoch. Die elementare Angst in fast allen Menschen vor
       Fremden und vor großen Veränderungen. Wobei: So groß ist die Veränderung
       gar nicht.
       
       Seit 1990 haben wir 2 Millionen sogenannte Russlanddeutsche aufgenommen,
       4,5 Millionen kamen in insgesamt über die Jahrzehnte aus der Ex-Sowjetunion
       in die BRD. Größer ist die jetzige Flüchtlingswelle auch nicht, rechnet die
       Bundesregierung in einer internen Prognose. Bis 2020 kommen insgesamt 3,6
       Millionen Flüchtlinge, zitiert die Süddeutsche Zeitung aus dem Papier.
       
       Über Millionen Ex-Sowjets hätten sich die besorgten Bürger von heute auch
       aufregen können. Taten sie aber nicht. Waren halt viele Blonde und
       Blondinen dabei. Jetzt kommen dunkelgelockte Araber, Afghanen mit Bärten,
       schwarze Männer gar. Da spalten sich die Menschen: Manche gehen auf die
       Fremden zu, um zu sehen, ob sie mit ihnen auskommen. Und andere verfallen
       in Rassismus.
       
       ## Prognostiziert und handelbar
       
       Das ist der Grunddiskurs. Da gibt es dann Leute wie den Hetzer und CSU-Chef
       Horst Seehofer, bei denen ist unklar, sind sie Rassisten oder nutzen sie
       die Situation zynisch aus für welche Ziele auch immer. Vielleicht ja
       beides. Jedenfalls werden diese Leute und ihr rassistischer Resonanzboden
       keine Ruhe geben. Viele Jahre werden sie die Integration von Ankommenden,
       die ihnen nicht passen, verlangsamen und zu verhindern suchen. Auch wenn
       die Flüchtlingszahlen im prognostizierten und damit handelbaren Rahmen
       bleiben.
       
       Dieses Problem offen zu benennen, wäre wichtig. Rassisten durch Annäherung
       überzeugen zu wollen oder aber bei den anstehenden Wahlen versuchen, den
       Riss in der Wählerschaft mit neuen Zäunen abzudecken, ist politisch
       nutzlos. Und schlimm für die Flüchtlinge.
       
       25 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Metzger
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Flüchtlinge
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Integration
   DIR Russlanddeutsche
   DIR Flüchtlinge
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Marokko
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Horst Seehofer
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Balkanroute
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Flüchtlinge
   DIR Österreich
   DIR Schwerpunkt Flucht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Senat stellt Integrationsplan vor: Die Masterin der Planlosigkeit
       
       Ein Masterplan soll die Teilhabe der Geflüchteten am gesellschaftlichen
       Leben regeln. Drin stehen viel Altbekanntes und vage Andeutungen.
       
   DIR Polizeichef zu Attacken auf Flüchtlinge: „Gewalt wird zunehmen“
       
       Die derzeitigen Übergriffe auf Asylsuchende seien wenig entfernt von
       Hoyerswerda, Mölln und Solingen, sagt der Leipziger Polizeipräsident.
       
   DIR Kommentar de Maizières Nordafrikareise: Von Werten zu Interessen
       
       De Maizière verhandelt in Nordafrika, um die Zahl der Asylbewerber zu
       senken. Dabei ignoriert er Moral und Menschenrechte.
       
   DIR Flüchtlingskrise der EU: Nichts geht ohne Ankara
       
       Immer lauter wird vor einem Scheitern in der Flüchtlingskrise gewarnt.
       Dabei liegen die Positionen in der EU gar nicht so weit auseinander.
       
   DIR Diskussion um Flüchtlingspolitik: Seehofer fordert Merkel zu Wende auf
       
       Grenzkontrollen, notfalls zurückweisen – so hätte CSU-Chef Seehofer gern
       die Politik der Kanzlerin. Wolfgang Schäuble (CDU) kritisiert derweil
       SPD-Chef Gabriel.
       
   DIR Afghanische Flüchtlinge in Griechenland: Mit dem Bus zurück zum Victoriaplatz
       
       Auf der Balkanroute ist von Griechenland aus praktisch kein Durchkommen
       mehr. Was tun Flüchtlinge nun, vor allem afghanische?
       
   DIR Flüchtlinge in Südosteuropa: Kettenreaktion am Balkan
       
       Kroatien und Slowenien führen eine „Tages-Obergrenze“ für Flüchtlinge ein,
       Serbien zieht nach. Ein Quoten-Referendum in Ungarn kommt wohl erst im
       Sommer.
       
   DIR Flüchtlingspolitik in Österreich: Das Grenzmanagement von Spielfeld
       
       Die neue Obergrenze von 80 Asylanträgen täglich ist nun gültig: Am
       österreichisch-slowenischen Übergang in der Steiermark bleibt es ruhig.
       
   DIR Regierungsprognose zu Flüchtlingen: 3,6 Millionen Asylsuchende bis 2020
       
       Berlin rechnet mit jährlich rund einer halben Million Schutzsuchender. Der
       griechische Premier Tsipras droht beim Flüchtlingsthema mit einer Blockade.
       
   DIR Debatte „Sichere Herkunftsstaaten“: Wenn Symbole lügen
       
       Der Begriff „sichere Herkunftsstaaten“ gehört sofort abgeschafft. Denn er
       ist nicht nur unpräzise, sondern auch verhöhnend.
       
   DIR Kommentar Westbalkan-Konferenz: Arschkarte für Hellas
       
       Österreichs Alleingang bedeutet eine faktische Obergrenze für Flüchtlinge
       zu Lasten Griechenlands. Eine gemeinsame Strategie wird erschwert.
       
   DIR Mazedonien will Balkan-Route abriegeln: EU-Staaten helfen beim Einmauern
       
       Kroatien, Slowenien, Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei
       unterstützen das Land bei der Abschottung gegen Flüchtlinge. Auch
       Österreich würde Polizisten schicken.