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       # taz.de -- Bremer Haschisch-Politik: Lieber nur als Medizin
       
       > Bei einer Expertenanhörung zum Umgang mit Cannabis überwiegen zunächst im
       > Haus der Bügerschaft die kritischen Stimmen.
       
   IMG Bild: Eine illegale Cannabis-Plantage in Lüneburg.
       
       BREMEN taz | Weitgehend unstrittig ist die Frage nur dort, wo es um die
       reine Medizin geht. Da befürworten sie alle die Legalisierung von Cannabis,
       alle fünf ExpertInnen, die die Bürgerschaft am Freitag über „Neue Wege in
       der Drogen- und Präventionspolitik“ befragte.
       
       Hintergrund der Debatte ist der Plan von Rot-Grün, in Bremen einen
       Modellversuch zur kontrollierten Abgabe und medizinischen Nutzung von
       Cannabis zu starten. Dass das so im Regierungsprogramm steht, war einer der
       grünen Erfolge in den Verhandlungen mit der SPD. Nur: In Berlin scheiterte
       ein ähnliches Projekt im vergangenen Jahr. Das Bundesinstitut für
       Arzneimittel und Medizinprodukte lehnte es ab.
       
       Ganz aufgeben wollen SPD und Grüne die Idee aber nicht, demnächst wollen
       sie dazu einen Antrag in die Bürgerschaft einbringen. Für den Fall, dass
       aus dem Modellversuch nichts wird, könnte es zumindest eine Bremer
       Bundesratsinitiative geben. Und ein Konzept, dass Rot-Grün aus der
       Schublade ziehen kann, sollte der Bund seine Drogenpolitik liberalisieren.
       Außerdem setzen SPD und Grüne sich dafür ein, dass der bloße Besitz von
       Cannabis zum Eigengebrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird.
       
       Der gesellschaftliche Umgang mit Cannabis solle dem mit Alkohol
       „angenähert“ werden, forderte Henning Schmidt-Semisch vom Institut für
       Public Health der Uni Bremen, denn auch die Risiken der beiden Drogen seien
       vergleichbar. Die repressive Drogenpolitik solle „konsequent
       zurückgefahren“ werden, so Schmidt-Semisch.
       
       Die anderen ExpertInnen waren da weniger eindeutig. Der medizinische Nutzen
       von Cannabis stehe „außer Frage“, sagte etwa Rainer Matthias Holm-Hadulla,
       Professor für psychotherapeutische Medizin in Heidelberg. Er wirbt dafür,
       Cannabis überhaupt wie ein Medikament zu behandeln – die Kommerzialisierung
       dieser „Apathiedroge“ sei „so problematisch“, so Holm-Hadulla, der auch die
       „verharmlosende öffentliche Debatte“ kritisiert. „Substanzielle Schäden“
       durch regelmäßigen Konsum seien „eindeutig nachgewiesen“, sagt er, zudem
       Cannabis bei der Mehrheit aller behandlungsbedürftigen PatientInnen die
       „Einstiegsdroge“.
       
       „Das ist keine Droge light“, sagt auch Eva Carneiro-Alves, die Leiterin der
       Bremer Drogenberatungsstellen. Dort werden etwa 1.500 Menschen im Jahr
       beraten, jeder fünfte von ihnen konsumiere vor allem Cannabis. Dessen
       Wirkstoffgehalt – da waren sich die ExpertInnen einig – sei heute
       wesentlich höher als noch in den 1970ern. Das Einstiegsalter der Kiffer in
       Bremen habe im vergangenen Jahr bei 15 gelegen, so Carneiro-Alves, jene,
       die sich in Behandlung begeben, seien dann aber schon 28. Dass eine
       Legalisierung den Schwarzmarkt für Haschisch und Marihuana eliminiert,
       glaubt sie übrigens nicht.
       
       Auch der Leiter des Rehabilitationszentrums Alt-Osterholz, der Psychiater
       Thomas Hempel, mochte sich nur für eine „sehr begrenzte und „genau
       definierte“ Legalisierung von Cannabis aussprechen. Früher Konsum wirke
       sich negativ auf die Hirnentwicklung aus, so Hempel, der zudem vor
       „schwerwiegenden“ – vor allem seelischen – Abhängigkeiten und einem
       erhöhten Schizophrenie-Risiko warnt. „Große Sorgen“ machten ihm vor allem
       Hunderte von legalen und „sehr wirksamen“ synthetischen Cannabinoiden, die
       es im Netz zu kaufen gebe.
       
       In der Medizin seien cannabisbasierte Medikamente zwar seit „Hunderten von
       Jahren“ bekannt, sagt Kirsten Müller-Vahl, Oberärztin an der Medizinischen
       Hochschule Hannover – hier zugelassen sind sie aber nur für Spastiker mit
       Multipler Sklerose. Und selbst dort, wo Cannabis zu Therapiezwecken erlaubt
       sei, scheitere eine Behandlung oft an den hohen Kosten – die die
       Krankenkassen oft nicht übernehmen. Insgesamt sei der medizinische Nutzen
       von Cannabis aber noch „unbefriedigend“ erforscht.
       
       26 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
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