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       # taz.de -- Kolumne So nicht: Produktplatzierung im Talkshowsessel
       
       > Angela Merkel sagt bei Anne Will Kanzlerinnensätze und wird dafür
       > gefeiert. Dabei hat sie einiges vergessen zu sagen.
       
   IMG Bild: Weiß, wo‘s lang geht: Angela Merkel am Sonntag bei Anne Will.
       
       Was macht man zwischen Talkshow-Auftritt der Kanzlerin und
       White-Peoples-Choice-Auftritt von Hollywood? Zappen. Dann fängt da irgendwo
       irgendein Krimi an und oben links taucht auf einmal ein kleines P und der
       Hinweis auf: „Enthält Produktplatzierung“. Ein Witz? Hatte das Fernsehen da
       was vertauscht? Sollte dieser Hinweis eigentlich neben dem Schriftzug „Anne
       Will“ und sowieso neben dem vom Oscar stehen?
       
       In der einen Show verkauft sich Gucci, Armani, Vuitton und sowieso
       Hollywood, in der anderen die Kanzlerin. Es gibt nur einen Unterschied:
       Während auf dem roten Teppich alle Konkurrenten gegeneinander antreten
       müssen, darf die Kanzlerin wie bei einer Teleshopping-Sendung für
       Fußpilzcreme ihr Produkt exklusiv präsentieren. Fällt zwar eigentlich unter
       Wettbewerbsverzerrung, aber egal. Hauptsache, am Ende sagen die Fans: Das
       ist meine Kanzlerin. Eine andere stand eben einfach nicht zur Wahl.
       
       [1][Starker Auftritt], echter Auftritt, ein Kanzlerauftritt mit
       Kanzlersätzen – haben die Fans gesagt. Was sonst hatten sie erwartet? Dass
       sie ausgerechnet in einer Werbesendung sagt, dass man ihr Produkt nicht
       mehr kaufen solle? Und was sonst als Kanzlerinnensätze sollte eine
       Kanzlerin denn sagen? Donald-Trump-Sätze? Sekretärinnensätze?
       Prekär-Beschäftigte-Sätze? Und überhaupt: Hat man Helmut Kohl nach
       Talkshow-Auftritten auch nachgesagt, er spreche wie ein Kanzler?
       
       ## Saunieren mit Jelzin
       
       Gut, er war als Kanzler auch nur ein einziges Mal in einer Talkshow, 1996
       bei Alfred Biolek. Dort sprach er übers Saunieren mit Boris Jelzin und dem
       Birkenreisig, über abgelegte Strickjacken, seinen selbstgemachten
       6-Eier-Karamellpudding, seine Rammlergeschichten und seine Kaninchenzucht.
       Er zitierte Thomas Mann und Carl Zuckmayer, sagte „lümmeln“ und leckte mit
       der Zunge, sagte „Bude“ statt Wohnung und bekannte, dass er nie die andere
       Backe hingehalten, sondern immer zurückgeschlagen habe, trank zwei Gläser
       Riesling und sagte dann noch: „Leute, es muss mehr gesoffen werden.“ Auch
       so ein Kanzlersatz!
       
       Dabei formte er seine Hände zu so was Ähnlichem wie der Merkel-Raute und
       meinte auch zu Europa und Deutschland Ähnliches wie die Kanzlerin. Die
       europäische Einigung nannte er einen „Akt der einfachsten Klugheit“ und
       begründete: „Wenn wir jetzt sagen, wir sind Deutsche, Deutsche und noch mal
       Deutsche, dann fangen wir noch mal an wie zu Beginn des Jahrhunderts. Dann
       geht das schief.“
       
       Nun hatte Helmut Kohl zu der Zeit selbstverständlich ein einfacheres Spiel.
       Er konnte sich zurücklehnen, denn der Peak Volksmob war 1996 fast
       überschritten. Angela Merkel hat ihn eventuell noch vor sich. Zum Vollsuff
       kann sie deswegen noch nicht aufrufen. Und über Birkenreisig und
       Strickjacken kann sie auch nicht reden.
       
       Aber darüber, wie das in Griechenland oder der Türkei und für die
       Flüchtlinge weitergehen soll, eben auch nicht. Dass sie dafür einen
       Kanzlersatz parat hätte, wissen wir: „Ooch komm. Du hast das doch prima
       gemacht.“ Aber jetzt musst du selbst sehen, wie du klarkommst.
       
       29 Feb 2016
       
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