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       # taz.de -- Abfall vermeiden: „Stoffrecycling ist nicht die Lösung“
       
       > Natürliche Ressourcen müssen besser genutzt werden. Neue Technologien
       > könnten der Kreislaufwirtschaft zu neuer Blüte verhelfen.
       
   IMG Bild: Wertvolle Rohstoffe illegal in einem Tümpel entsorgt.
       
       BERLIN taz | Abfall war gestern. In der Vermeidung von Müll durch
       intelligente Nutzung der Produkte liegt die neue Wertschöpfung. Forschung
       und Umweltpolitik entdecken die Kreislaufwirtschaft neu, jetzt unter der
       Bezeichnung „Circular Economy“.
       
       „Viele Lösungsansätze, die uns heute zur Verfügung stehen, waren vor fünf
       bis zehn Jahren noch reine Vision“, sagt Martin Stuchtey, Mitautor einer
       neuen [1][Studie über Kreislaufwirtschaft (“Growth within“, pdf-Datei)],
       die kürzlich in einer Veranstaltung der [2][Deutschen Technikakademie
       Acatech] in Berlin vorgestellt wurde. Wesentliche Treiber sind die
       Digitalisierung für eine bessere Nutzung der Rohstoffe in Herstellung und
       Verbrauch sowie neue Wirtschaftsmodelle gemeinschaftlicher Nutzung (“Share
       Economy“).
       
       „Wir haben massive Reserven für eine bessere Ressourcennutzung und stehen
       vor völlig neuen Revolutionen“, betont Stuchtey. Die Studie exemplifiziert
       dies für die Bereiche Mobilität, Ernährung und Wohnraum, in denen unter
       Kreislaufbedingungen Kosteneinsparungen von 65 bis 80 Prozent möglich
       werden sollen. Der neue Greentech-Entwurf wurde finanziert von Stuchteys
       Arbeitgeber, der Unternehmensberatung McKinsey, und der [3][Umweltstiftung
       der britischen Weltumseglerin Ellen MacArthur].
       
       „Wir werden in den nächsten Jahren zu einer Neubewertung des
       Ressourcenthemas kommen müssen“, unterstrich Matthias Machnig,
       Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, bei Entgegennahme der
       Studie. Auch die EU-Kommission in Brüssel hatte im Dezember ein politisches
       Paket zur Förderung der Kreislaufwirtschaft vorgelegt, das von den Grünen
       im Europa-Parlament indes als zu wenig ambitioniert kritisiert wurde.
       
       Demgegenüber unterstützte der frühere EU-Forschungs- und Umweltkommissar
       Jan Potocnik den Brüsseler Vorstoß: „Wir müssen die Ressourcen so lange wie
       möglich im Verbrauchszyklus halten“, sagte er vorige Woche auf der
       Nachhaltigkeitskonferenz „Wachstum im Wandel“ in der Wirtschaftsuniversität
       Wien. „Reines Stoffrecycling ist nicht die Lösung“.
       
       Sechs Hebel sollen die „strukturelle Verschwendung“ senken: die Umstellung
       auf erneuerbare Energien und Materialien, die gemeinsame Nutzung von Autos,
       Räumlichkeiten und Geräten, die Effizienzsteigerung, das Recycling von
       Materialien, die Virtualisierung von Dienstleistungen und die Anwendung
       neuer Produktionstechniken wie dem 3-D-Druck.
       
       ## Verkehr und Lebensmittelproduktion
       
       Im Verkehrsbereich könnten die Kosten am stärksten durch Sharing-Modelle
       (40 Prozent) reduziert werden, während im Ernährungssektor die Optimierung,
       sprich: Verringerung der Lebensmittelverluste, als stärkster Hebel (35
       Prozent) gilt.
       
       Der Unsicherheitsfaktor, ob diese Circular-Trends auch tatsächlich so
       eintreten, dürfte allerdings nicht gering sein. So hat sich die deutsche
       Automobilwirtschaft laut Studie auf vier „disruptive Technologietrends“
       einzustellen: Elektrifizierung, Autonomes Fahren, Konnektivität
       (Car-to-Car-Communication) sowie neue Mobilitätslösungen wie die
       umstrittene Taxi-Alternative Uber.
       
       Ob sich im Jahre 2030 neben dem Umsatzfaktor „einmaliger Fahrzeugverkauf“
       in Höhe von 400 Milliarden Euro dann auch ein Posten „wiederkehrende
       Erträge durch gemeinsame Fahrzeugnutzung“ mit 150 Milliarden Euro Umsatz
       etablieren kann, ist aus heutiger Sicht eher eine prognostische
       Kurvenfahrt, die auch im Graben enden kann.
       
       6 Mar 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.ellenmacarthurfoundation.org/assets/downloads/publications/EllenMacArthurFoundation_Growth-Within_July15.pdf
   DIR [2] http://www.acatech.de/de/aktuelles-presse/presseinformationen-news/news-detail/artikel/neue-studie-deutschland-kann-erheblich-vom-prinzip-der-circular-economy-profitieren.html
   DIR [3] http://www.ellenmacarthurfoundation.org/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Ronzheimer
       
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