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       # taz.de -- CDU-Kandidat Guido Wolf in BaWü: Papst oder Ministerpräsident
       
       > Joggeli der Ziegenbock. Walesco der Wallach. So manche Vorliebe von Guido
       > Wolf (CDU) ist schon bekannt. Aber was steckt im Herausforderer?
       
   IMG Bild: Der jüngste Wolf-Sohn galt nicht als der Schlaueste im Bunde, aber als der Zielstrebigste.
       
       Weingarten/Ravensburg taz/kontext | In Weingarten kennt man ihn von klein
       auf. Hier, im Schatten der Basilika, die wie eine Glucke über der Stadt
       thront, schätzt man jeden, der die Heilig-Blut-Reliquie verehrt und im
       Fasching mächtig auf die Pauke haut. Hier im Oberschwäbischen, wo die
       Politik traditionell schwarz und Nichtkatholiken als „wiaschdgläubig“
       gelten, ist Guido Wolf (54) aufgewachsen. Katholische Jugend, dort später
       Chorleiter.
       
       Wenig verwunderlich, schließlich war Hausmusik im Hause Wolf
       großgeschrieben und der Knabe an der Trommel gefordert. In den Tiefen des
       SWR-Archivs soll noch eine Aufnahme der fünfköpfigen Familiencombo aus
       Weingarten schlummern.
       
       Mutter Luitgard, musikalisch, ehrgeizig und gottesfürchtig, hat auch die
       Umwidmung des häuslichen Dachbodens wohlwollend geduldet, wo Bruder Konrad
       und Guido Kerzen und einen Altar aufbauten und lateinische Messen lasen.
       Die prächtigen Gewänder der Buben hat eine Tante geschneidert, der Mutter
       war’s recht. Der erste Sohn ein Pfarrer, das hat in Oberschwaben Tradition,
       und wer weiß, womöglich reicht’s zum Papst?
       
       Bis zu ihrem Tod hatte Luitgart Wolf, die Tochter des Politikers und ersten
       Landwirtschaftsministers Franz Weiß, hochfliegende Pläne für ihren
       Nachwuchs. Doch Sohn Konrad ist lieber Arzt geworden, Schwester Margret
       Journalistin bei der Schwäbischen Zeitung, beide sind in Weingarten
       geblieben. Nun ruhten die familiären Hoffnungen auf dem Jüngsten, der zwar
       nicht als der Schlaueste im Bunde galt, aber als der Zielstrebigste. Wenn
       schon nicht Papst, dann wenigstens Ministerpräsident.
       
       ## Jura-Studium, Richter, dann Bürgermeister
       
       Der Weg dahin wie üblich, wenn einer in Baden-Württemberg politisch etwas
       werden wollte: Studium der Rechtswissenschaft, Richter in Sigmaringen,
       Bürgermeister in Nürtingen, wo ihm der Alt-OB sagte, wohin der Hase rennt.
       Am Ende habe Wolf meistens das getan, „was ich ihm vorgeschlagen habe“, tat
       Alfred Bachofer jüngst kund.
       
       Danach Landrat in Tuttlingen, Landtagsabgeordneter, Landtagspräsident,
       Spitzenkandidat: Es ging schnell aufwärts mit dem Mann, der bis dahin vor
       allem auf der kommunalen Ebene Erfahrungen gesammelt hatte. Seinen
       Großvater Franz Weiß hat er dabei nie ins Spiel gebracht. Der hat am
       Ahlener Programm der CDU mitgeschrieben, das heute wohl als linksradikal
       gelten würde.
       
       „Der kann des, der kommt aus einer christlichen Familie“, sagt Jürgen Hohl.
       Der 72-Jährige mit dem markanten Schnauzer ist nicht nur Chef über 5.000
       Exponate im Weingartener Klostermuseum und spezialisiert auf Marienfiguren.
       Als Vorsitzender des Fasnetvereins Mostclub schätzt er auch die
       „geschliffenen Reime“, wenn der Hobbydichter seiner Heimatstadt die
       Aufwartung macht. Und wer seit vielen Jahren beim Blutritt dabei ist, kann
       kein schlechter Mensch sein. Jürgen Hohl, gläubig, schwul, der bunte Vogel
       aus Weingarten, früher geächtet, heute geachtet, nippt inmitten seiner
       Heiligenfiguren an seinem Cappuccino. Er würde dem Guido auch den Papst
       zutrauen.
       
       ## OB in Weingarten wurde er 1992 nicht
       
       Das sehen nicht alle so. Zum Oberbürgermeister von Weingarten hat es 1992
       nicht gereicht. Dabei hat der 31-Jährige als Erster den Finger gestreckt,
       sein Wahlprospekt hatte das üppige Format eines Schulhefts und war größer
       als alle anderen. Doch manchen kam der junge Kerl, der da vor dem
       verstaubten Bücherregal stand, unecht vor.
       
       Andere zählten ihn zur „Blutwurst“, womit man in Weingarten die
       Verflechtung von Politik und Wirtschaft meint. Schwiegervater Robert Roth,
       ein erfolgreicher Gärtner, saß im Gemeinderat. Der Schwiegerpapa trete
       zurück, „wenn ich OB werde“, beteuerte der Kandidat in seinen
       Veranstaltungen. Geholfen hat es nicht. Guido Wolf kam im ersten Wahlgang
       nur auf Platz drei, selbst im Wahlkreis seines elterlichen Hauses, rund um
       den Sechserplatz, reichte es nicht für die Stimmenmehrheit. Irgendwie haben
       sie ihm nicht über den Weg getraut.
       
       Das muss den Mann, der sich zu Großem berufen fühlt, geschmerzt haben.
       Machtinstinkt und eine schnelle Auffassungsgabe bescheinigt ihm einer, der
       Guido Wolf als Landrat in Tuttlingen erlebt hat. Undogmatisch war er,
       einer, der gut mit den Bürgermeistern der Region konnte. Aber auch einer,
       der in jeden Fahrstuhl springt, der ihn nach oben bringt, mit einem
       sicheren Gespür für die Gunst der Stunde.
       
       ## Wallach Walesco statt Positionen oder Inhalten
       
       Politische Positionen, ideologischer Streit, Kampf um Inhalte – davon
       berichtet niemand. Lieber schwärmt Wolf von dem Wallach Walesco, 27, der
       sich mit leichtem Fersendruck lenken lässt, und vom Ziegenbock Joggeli, den
       er vor dem Metzger gerettet hat.
       
       Und so hat der Landtagsabgeordnete Wolf nach dem Amt des
       Landtagspräsidenten gegriffen, nach dem Fraktionsvorsitz, ließ sich als
       Spitzenkandidat für die Landtagswahl aufstellen. Wer nicht passte, wurde
       weggebissen. Allerdings soll auch noch ein anderer günstiger Umstand
       geholfen haben: die Homestory über Thomas Strobl in der Bunten. Mein Haus,
       meine Frau, mein Schwiegervater der Bundesfinanzminister – das hat vielen
       Schwarzen gestunken, und da war er weg, Wolfs härtester Konkurrent.
       
       Von dem Mann, dem das Unvollendete ins Gesicht geschrieben steht, ist eine
       solche Geschichte nicht zu erwarten. Bei der Weingartener Wahl von 1992 war
       Wolf zwei Jahre verheiratet, Barbara Wolf fest an seiner Seite und voller
       Vertrauen in den Wahlsieg. Sie habe am Vortag der Wahl schon voreilig den
       Sekt eingekauft, um auf den Triumph ihres Mannes anzustoßen, erzählt man
       sich in Weingarten mit einer gewissen Häme noch heute. „Die Weingartener
       wollten halt keine Blutwurst“, sagt die SPD-Stadträtin Doris Spieß. Da
       halfen auch die guten Kontakte nach Stuttgart nicht, von wo der damalige
       Verkehrsminister Thomas Schäuble (CDU) zur Unterstützung herbeieilte. Der
       bitterlich Enttäuschte trat zum zweiten Wahlgang nicht mehr an.
       
       ## Keine heile Familie
       
       Doch der politische Ehrgeiz blieb ungebrochen. Der führte ihn nach
       Stuttgart, Nürtingen und Tuttlingen. Und Barbara Wolf war immer seltener an
       seiner Seite.
       
       Nun geht auch bei der CDU im Lande manches, was der Rest der Republik den
       konservativen Südländern nicht zutrauen würde. Der Oberbürgermeister von
       Schwäbisch Gmünd ist bei der CDU und schwul, und auch EU-Kommissar Günther
       Oettinger lebte als Ministerpräsident eher in gschlamperten als in
       geordneten Verhältnissen. Womöglich hätte keiner so genau hingeschaut, wenn
       Wolf nicht so ungeniert mit den familientreuen Gegnern des grün-roten
       Bildungsplans flirten würde.
       
       Die ziehen gegen Homosexualität und Gender-Mainstreaming zu Felde und
       kämpfen für die heile Familie. Damit kann Wolf nicht aufwarten. Keine
       Kinder, die es vor einem Sexkoffer zu schützen gäbe, die Frau unsichtbar,
       nur dazugeholt, wenn es unbedingt nötig ist, für Fotografen und Kameras.
       Ihr Wohnsitz in Ravensburg, seiner in Tuttlingen – wie passt das zum
       propagierten Familienbild?
       
       ## Die Frau an seiner Seite wurde immer unsichtbarer
       
       Besuch in Ravensburg, drei Kilometer von Weingarten entfernt. Hier verkauft
       Barbara Wolf Lebensgefühl in einem Event-Deko-Laden namens Tafelblatt.
       Draußen Frühlingsblumen auf bunten Stühlen, drinnen
       Latte-macchiato-Ravensburger, die im Bistro ihren Kaffee schlürfen, um dann
       tiefer in den Laden zu schlendern, vorbei am Eichentisch für schlappe 2.000
       Euro, dem Vintagespiegel, den Vasen und Blumenarrangements.
       
       Lächelnd steht Frau Wolf am Tresen und bindet geschickt Sträuße. Graues
       Kleid, Felljäckchen, schwarze Stiefel, professionell freundlich, womöglich
       die nächste Landesmutter und doch so verschlossen, als gelte es,
       unanständige Angebote abzuwehren. Nein, sie möchte nichts sagen. Weder zu
       ihrem Mann noch zu ihrer Ehe oder gar zur Politik, „ich bin Geschäftsfrau“.
       
       Guido Wolf preist seine Frau als Unternehmerin, die 15 Arbeitsplätze
       geschaffen habe. „Ich glaube, da muss ich ihn aufklären“, sagt sie dann
       doch noch, „es sind genau 14.“ Vier Jahre hat sie bei Merz und Benzing in
       Stuttgart gelernt, 1991 die Meisterprüfung, 2004 den Laden, 2009 das Bistro
       aufgemacht. Ihre Schwägerin Margret Welsch darf in der Schwäbischen Zeitung
       zum fünfjährigen Jubiläum schwärmen: „Ins Tafelblatt gehen ist ein bisschen
       wie in die Kirche gehen.“ Wenige Jahre später gab’s noch den Gründerpreis
       der Schwäbischen Zeitung.
       
       ## Wolf schenkte Merkel ein Plüschtier
       
       „Von mir werden Sie nichts Schlechtes hören“, sagt Hans Heinrich Ahlfeld
       schneidig. Der 72-Jährige ist heute im Wahlkampfteam von Guido Wolf und
       kennt ihn bestens als Landrat in Tuttlingen. Schließlich war der
       Bundeswehroffizier 17 Jahre lang ehrenamtlicher Bürgermeister in Hausen ob
       Verena, und das liegt nur wenige Kilometer von Tuttlingen entfernt.
       
       Ahlfeld ist ein eingefleischter Schwarzer, aber einer mit eigenem Kopf.
       „Als Deutsche mit unserer Geschichte und als Partei mit dem C im Namen
       wären wir gut beraten, Flüchtlingen zu helfen“, betont er. Aber so weit
       gehen, den Wolf’schen Wackelkurs zwischen Merkel und Seehofer zu
       kritisieren, das will er dann doch nicht. Allerdings habe er sich klar auf
       die Seite der Kanzlerin gestellt.
       
       Selbige hatte sich beim CDU-Parteitag in Karlsruhe, wo sie von Wolf mit
       einem Plüschtier überrascht worden ist, immerhin mit einem kleinen Trost
       bedankt. Sie werde Kretschmann seltener loben, hat sie dem Herausforderer
       versprochen.
       
       9 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Stiefel
       
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