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       # taz.de -- Entsperrungsstreit ums iPhone: Das Märchen vom Einzelfall
       
       > Apple und das FBI zoffen sich weiter, ob das Smartphone eines Attentäters
       > geknackt wird. Etwas stimmt nicht an der Erzählung der Behörde.
       
   IMG Bild: Demnächst: Symbolbild für ein offenes Scheunentor?
       
       Es war einmal ein iPhone 5c. Nur sein Besitzer konnte auf es zugreifen –
       denn es war natürlich mit einer PIN geschützt. Sein Besitzer aber stand
       eines Tages auf und schoss, gemeinsam mit einer Frau, 14 Menschen in
       kalifornischen San Bernadino tot und verletzte 22 weitere – in einer
       Attacke, die, so sagten die Behörden, vom Islamischen Staat inspiriert war.
       
       Deswegen interessierten sich die US-Strafverfolgungsbehörden brennend
       dafür, was für Informationsschätze auf dem iPhone liegen mögen. Und
       verlangten Zugriff auf das Gerät. Beziehungsweise: dass der Hersteller
       Apple es knacken möge.
       
       Appple aber weigerte sich. Das Ganze kam vor Gericht. Dort entschied man:
       Apple muss abschalten, dass alle Daten von dem iPhone gelöscht werden, wenn
       zu häufig der falsche PIN eingeben wird – eine Funktion, die Nutzer
       einstellen können, bei der aber unklar ist, ob der Besitzer sie aktiviert
       hat. Und: Apple müsse den Ermittlern ermöglichen, uneingeschränkt
       Passwörter auszuprobieren – auf dass irgendwann das korrekte dabei sein
       möge.
       
       Da wurde Apple zornig und sprach: Das ist doch eine Frechheit – um das zu
       tun, müssten wir dem FBI extra eine Software zu schreiben! Ist die einmal
       in der Welt, könnte sie auch in die falschen Hände gelangen – und jeder
       Hempel könnte unsere gut geschützten Smartphones knacken. Plus: Das Gericht
       schaffe damit einen Präzedenzfall: „Einmal vorhanden könnte diese Technik
       immer wieder eingesetzt werden, auf einer beliebigen Anzahl von Geräten.“
       
       Quatsch, entgegnete das FBI – ach nee, gleich das Weiße Haus: das
       Justizministerium fordere von Apple gar nicht, eine Hintertür zu bauen, um
       das iPhone 5c generell entschlüsseln zu können. Es ginge einfach nur um
       Hilfe in diesem einen einzigen Fall.
       
       ## Schlimme Straftäter, Ermittlungen nötig
       
       Und weiter sprach Apple: „Wir fechten den Beschluss mit dem größten Respekt
       gegenüber unserer Demokratie an“. Und es mischten sich immer mehr Menschen
       ein, in den Streit um das kleine iPhone 5c. Facebook-Chef Marc Zuckerberg
       ging ins Team Apple – genauso wie ungefähr alle digitalen
       Bürgerrechtsorganisationen der Welt. Bill Gates, Gründer des Apple-Rivalen
       Microsoft, stellte sich auf die Seite der Regierung. Genauso wie mehreren
       Umfragen zufolge die Mehrheit der amerikanischen Öffentlichkeit.
       
       Dann aber kam heraus: Es geht tatsächlich gar nicht nur um einen einzigen
       klitzekleinen Einzelfall. Aus Unterlagen von Behörden geht hervor, dass das
       FBI beziehungsweise das US-Justizministerium Apple in den vergangenen vier
       Monaten auffordern, die Schutzmechanismen von 15 weiteren iPhones zu
       umgehen. Darunter auch eines der niegelnagelneuen Modelle, die besonders
       sorgfältig verschlüsselt sind. Weil natürlich: schlimme Straftäter,
       Ermittlungen nötig. Und berief sich dabei, wie auch im bereits bekannten
       Fall, auf ein Gesetz, dass US-Präsident George Washington 1789 noch
       persönlich unterzeichnet hatte.
       
       Was Apple recht geben und einmal mehr den guten alten Mechanismus entlarven
       würde: einen emotionalen Präzedenzfall schaffen, um digitale Kommunikation
       auszuspähen, Geheimes aufzuknacken – gerne auch mit Hilfe eines Märchens
       von Einzelfall. Und dann reingucken, rastern und speichern was das Zeug
       hält. Weil: geht ja. Und ist für die Strafverfolgung einfach unverzichtbar.
       Argumentationsmuster, die auch hierzulande nur allzu bekannt sind:
       Bundestrojaner, Vorratsdatenspeicherung, you name it.
       
       ## Nur für Einzelfälle natürlich
       
       Und in den USA wundert das erst recht nicht: FBI-Direktor Comey klagt
       ohnehin schon seit Jahr und Tag darüber, wie schwer die Arbeit seiner
       Ermittler sei, wenn ständig immer alles verschlüsselt sei. Weswegen schon
       wieder die Mär vom neuen Cryptowar die Runde machte, der schon in den
       1990ern tobte: Müssen Strafermittler im Zweifelsfall in jede digitale
       Kommunikation reingucken dürfen? Darf die Regierung Software, die beim
       Verschlüsseln hilft, verbieten, beschränken oder aufknacken? Darf sie
       Firmen zwingen, Geräte zu verbreiten, die dabei, helfen, oder Hintertürchen
       in ihre Software zu installieren, um Einblicke in die digitale
       Kommunikation potentieller Delinquenten zu bekommen? Nur für Einzelfälle
       natürlich.
       
       Aber das ist eine längere Geschichte. Eine unendliche, möchte man fast
       sagen. Die wir ein andermal erzählen. Denn: wenn sie nicht gestorben sind,
       dann kämpfen sie noch heute.
       
       25 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Meike Laaff
       
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