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       # taz.de -- Fossile Brennstoffe in China: Noch längst kein Kohle-Peak
       
       > Das zweite Jahr in Folge geht in China der Kohleverbrauch zurück. Doch
       > die Ursache ist vor allem die derzeitige wirtschaftliche Schwäche des
       > Landes.
       
   IMG Bild: Bislang untrennbar: China und seine Kohleindustrie.
       
       PEKING taz | Der Pekinger Luft war ein niedrigerer Kohleverbrauch zumindest
       nicht anzumerken. Ausgerechnet zum Auftakt des Nationalen Volkskongress,
       der alljährlich wichtigsten politischen Zusammenkunft der chinesischen
       Führung, schnürte der Smog am vergangenen Wochenende den Menschen mal
       wieder die Luft ab. Der Index für den gefährlichen Feinstaub lag zeitweise
       16-mal höher, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt. Dem
       chinesischen Statistikamt zufolge muss es vor zwei Jahren aber schlimmer
       gewesen sein.
       
       Nach den offiziellen Zahlen ist der Kohleverbrauch 2015 um 3,7 Prozent im
       Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Es ist das zweite Jahr in Folge, dass
       der weltweit größte Emittent von klimaschädlichem Treibhausgas weniger
       Kohle verbrennt. 2014 lag der Rückgang bei 2,9 Prozent. China investiert
       derzeit zwar massiv in den Ausbau von erneuerbaren Energien; der Anteil
       stieg allein 2015 um rund 70 Prozent. Doch insgesamt bezieht China
       weiterhin fast zwei Drittel seiner Energie aus Kohle. Die Kohleverbrennung
       ist zugleich der Hauptverursacher des dichten Smogs, der die meiste Zeit im
       Jahr einen Großteil des chinesischen Kernlands einhüllt.
       
       Yang Fuqiang, einer der Hauptzuständigen im Bereich Klima, Energie und
       Umweltschutz der mächtigen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), geht
       davon aus, dass Chinas CO2-Ausstoß 2014 seinen Höchststand erreicht habe –
       und damit 16 Jahre vor dem auf der Pariser Klimakonferenz im Dezember
       vereinbarten Zeitpunkt. Versprochen hatte die chinesische Führung, den
       Ausstoß erst ab 2030 zu drosseln. Für 2016 geht Yang von einem weiteren
       Rückgang aus.
       
       Auf den ersten Blick scheint es, dass es die Regierung mit dem Umwelt- und
       Klimaschutz ernst meint. In diesen Tagen wird von den insgesamt rund 3.000
       Delegierten des Nationalen Volkskongresses der sogenannte 13.
       Fünfjahresplan abgenickt, in dem die chinesische Führung festlegt, wie sich
       das Land in den nächsten fünf Jahren entwickeln soll. In diesem Plan wird
       erstmals auch die Smogbekämpfung explizit aufgeführt. Schärfere
       Umweltgesetze sollen dafür sorgen, dass an 80 Prozent der Tage im Jahr
       „gute oder hervorragende“ Luftwerte erreicht werden, heißt es in dem
       Dokument. Unter anderem soll eine Obergrenze für den Energieverbrauch pro
       Kopf festgelegt werden.
       
       ## Chinas Wirtschaft wächst nicht mehr so schnell
       
       Doch so sehr die chinesische Führung nun die Smogbekämpfung und den
       Klimaschutz hervorhebt – diese Ankündigung fällt in eine Zeit, in der
       Chinas Wirtschaft ohnehin nicht mehr so schnell wächst. „Das Land setzt
       derzeit alles darauf, die gigantischen Überkapazitäten im Kohle- und
       Stahlsektor abzubauen“, gibt NDRC-Vertreter Yang denn auch zu.
       
       Erst vergangene Woche kündigte der chinesische Arbeitsminister Yin Weimin
       an, wegen der Überkapazitäten in der chinesischen Schwerindustrie in den
       nächsten Jahren rund 1,8 Millionen Arbeitsplätze in der Schwerindustrie zu
       streichen, rund 1,3 Millionen in der Kohlebranche, 500.000 in der
       Stahlindustrie. Tausende von Fabriken sollen geschlossen werden.
       
       Chinesische Umweltexperten freuen sich zwar über den Rückgang des
       Kohleverbrauchs. Doch sie warnen: Der Rückgang sei so lange nicht
       nachhaltig, solange der Klimaschutz nicht wirklich im Vordergrund stehe.
       
       Der momentan in Peking forschende US-amerikanische Energieexperte Jeffrey
       Lin kritisiert, dass in den Regionen, in denen die Wirtschaft weiter
       wächst, auch der Kohleverbrauch weiter kräftig steige und sogar neue
       Kohlekraftwerke errichtet werden. Sollte Chinas Wirtschaft insgesamt
       anziehen, werde der Kohleverbrauch wieder steigen, befürchtet Lin. Er
       fordert daher ein Verbot von neuen Kohlekraftwerken. Ansonsten werde es
       schnell neue Spitzenwerte geben.
       
       10 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Lee
       
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