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       # taz.de -- Kolumne Habibitus: Problematic Fav
       
       > Das Schöne an Leuten, die man cool und fragwürdig zugleich findet, ist,
       > dass sie einem neue Denkanstöße geben. Senna Gammour zum Beispiel.
       
   IMG Bild: Senna Garmour: Jetzt pass ma auf.
       
       Erinnert ihr euch noch an Senna Gammour, das eine Drittel der
       „Popstars“-Girlband Monrose? Haben sich 2006 gegründet und 2011 aufgelöst.
       Von ihren beiden Kolleginnen folgten seitdem neben Auftritten bei „Das
       perfekte Promi-Dinner“ keine großen Höhenflüge. Von Senna zugegebenermaßen
       auch nicht – abgesehen von ihrem [1][Instagram-Account].
       
       Mit ihm spaltet sie das Internet in zwei Lager. Die einen, etwa
       [2][Noisey-Autorin Tamara Güclü, halten sie für die weibliche Version von
       Mario Barth.] Die anderen, ihre halbe Million Follower_innen, für die
       perfekte beste Freundin. Und ich gebe offen zu: Müsste ich eine Gang aus
       Personen, die ich nicht persönlich kenne, zusammenstellen, wäre sie eines
       der ersten Mitglieder. Trotzdem kann ich die Aversion nachvollziehen.
       
       In Videoclips imitiert sie Telefonate mit der besten Freundin oder spricht
       direkt zu ihren Kanal-Abonennt_innen. Meistens gibt sie Ratschläge, sehr
       oft geht es um ihr Single-Dasein. Für sie gehören Menschen entweder zu den
       „Süßen“, den „Kröten“ oder den „Opfern des Grauens“. Letztere sind vor
       allem Typen.
       
       Das Ganze mag erst mal schlimm klingen: Senna ist oft heteronormativ und
       problematisch, etwa wenn „Hure“ zur Beschimpfung wird, und ihre Heten-Tipps
       bringen mir so viel wie Sanifair-Coupons bei der Mietzahlung. Aber für
       Sprüche wie „Nationalität: Kanackisch“ oder „Wenn ihr dachtet, ihr wärt
       Rihanna, dabei wart ihr Ciao-Anna!“ bin ich immer zu haben. Sie ist halt
       meine Problematic Fav, die problematische Favoritin.
       
       Das Schöne an Leuten, die man unfassbar cool und fragwürdig zugleich
       findet, aber ist, dass sie einem neue Denkanstöße geben. Vielleicht mehr
       noch als jene, die man einfach nur abfeiert. Senna hat keine Gender Studies
       oder überhaupt irgendetwas studiert. Trotzdem haben ihre Freundinnen eine
       viel höhere Priorität als Typen.
       
       ## Bad-Bitch-mäßig
       
       Sie ist die muslimische Tussi von nebenan, die früher undankbare Putzjobs
       und was mit Bushido hatte, um schließlich bei diversen schlimmen
       RTL-Formaten zu landen. Die Repräsentation Queerfeminismus steht nicht auf
       Sennas Agenda. Aber das ist beim inzwischen selbst von Bourgies gefeierten
       Brudi Haftbefehl auch nicht der Fall. Und das ist okay so.
       
       Denn Senna hilft mir dabei, mich von der Idee zu verabschieden, dass immer
       alles für alle und jede Minderheit repräsentiert sein muss. Ich nehme auch
       nicht jeden beschissenen Hollywoodstreifen auseinander. Okay, fast jeden.
       Aber warum die Kritik gerade dort abfeuern, wo Minderheiten eigentlich zu
       Wort kommen?
       
       Es ist kein Zufall, dass Frauen of Color im deutschen Fernsehen eigentlich
       nur bei unterirdischen D-Promi-Formaten zu sehen sind. Senna ist nun der
       Boss einer eigenen Plattform, ihrem Instagram-Profil, auf dem sie
       Bad-Bitch-mäßig ausspricht, dass Donald Trump „ein Hund“ ist.
       
       Sie verbringt den Valentinstag Chips essend auf dem Sofa und posiert zu
       Beyoncés Ego-Hymne „Flawless“ in der Lobby eines teuren Hotels in Dubai.
       Sie mag eine „Tussi“ sein, aber sie dafür ernsthaft zu kritisieren, heißt
       den Genderausdruck von Kanackinnen maßregeln zu wollen. Und das machen nur
       Kröten. Isso, Habibi, isso.
       
       15 Mar 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.instagram.com/missgammour/
   DIR [2] http://xn--Noisey-Autorin%20Tamara%20Gcl,%20halten%20sie%20fr%20die%20weibliche%20Version%20von%20Mario%20Barth-t9hco.
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hengameh Yaghoobifarah
       
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