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       # taz.de -- Deutsch-hebräisches Kulturmagazin: Paartherapie auf Papier
       
       > Die Macher des bilingualen Magazins „Aviv“ wollen die Beziehung zwischen
       > deutscher und israelischer Kultur erneuern.
       
   IMG Bild: Ein Bild aus der Serie „Flower is He“ von Nir Arieli, die in „Aviv“ erscheint.
       
       Als Hanno Hauenstein das erste Mal nach Israel kommt, geht er auf Demos
       statt in die Uni. Er unterhält sich mit den Menschen, die auf dem
       Rothschild-Boulevard in Tel Aviv, der Vorzeigestraße mit
       Bauhausarchitektur, campen und sich laut gegen die gestiegenen
       Lebenshaltungskosten aussprechen. Das war im Juli 2011.
       
       Er war mitten in die Nachwehen des Arabischen Frühlings geraten. Die
       sozialen Proteste waren neu für das junge Land und sie waren auch der
       Anlass für Hauenstein, länger als geplant im Land zu bleiben und darüber zu
       berichten. Mit Frühling, auf Hebräisch „Aviv“, beginnt auch das bilinguale
       Magazin, das Hauenstein gerade herausgebracht hat.
       
       Aus dem klassischen Deutschland-Israel-Kontext wollen sie ausbrechen, das
       sagen die Wahlberliner Hanno Hauenstein, 29, und Itamar Gov, 26. Deshalb
       haben sie [1][Aviv] gegründet. Ein deutsch-hebräisches Magazin, in dem sie
       sich Kunst und Literatur widmen. Aufschlagen kann man es von hinten und von
       vorne, denn es hat zwei Leserichtungen. Alle Beiträge erscheinen
       zweisprachig. In der Mitte treffen die deutschen und hebräischen Texte, die
       mal Prosa, mal Lyrik sind, aufeinander. Das verbindende Element ist die
       freizügige Fotostrecke „Flower Is He“ von Nir Arieli in Begleitung von
       Kurzgedichten von Vanessa Emde. Das Cover ziert ein junger Mann, der ein
       Blumengesteck aus roten und orangefarbenen Blüten auf dem Kopf trägt.
       
       „Der Fokus liegt nicht auf der Beziehung zwischen den Ländern, es geht um
       die gegenseitige Beeinflussung zweier Sprachen und um die Inhalte“, sagt
       Hauenstein, der als freier Autor und Übersetzer tätig ist. Deutsche
       Intellektuelle haben Anfang des 20. Jahrhunderts die Hebräische Akademie in
       Palästina geprägt, die die Sprache wieder hat aufleben lassen. Es scheint,
       als wollten Gov und Hauenstein an diese Tradition anknüpfen.
       
       Durch das Übersetzen ist dem Filmstudenten Gov aufgefallen, „wie zentral
       die Rolle der Sprache in der Literatur ist. Ab und zu ist es unmöglich,
       eine Erfahrung zu übertragen“, sagt er. Doch das Schöne sei, dass dem Leser
       beide Versionen vorliegen. „Interessant sind Sprachübergänge, Wechsel, was
       es bedeutet, in einer Sprache zu sprechen, die nicht die eigene ist“, sagt
       Hauenstein, der durch seine Arbeit bei dem israelischen Sender i24News, der
       in drei Sprachen berichtet, diem ultilinguale Aufbereitung gelernt hat.
       
       Mit ihrem Projekt, das finanziell von der Stiftung Deutsch-Israelisches
       Zukunftsforum unterstützt wird, laden sie verschiedene Kulturschaffende
       ein. 31 Autoren, Künstler und Fotografen haben mitgewirkt. Darunter ist
       auch die iranische Filmemacherin Shirin Sabahi, die etwas aus dem Kurzfilm
       „Mint Condition“ beiträgt, der erforscht, was sicher hinter der Oberfläche
       befindet. Inspiration boten den Heftmachern das hebräische Berliner
       Communitymagazin [2][Spitz] und das [3][Block-Magazin], das zwischen
       Literatur und Journalismus steht.
       
       ## Ein zartes Heft
       
       Die Aviv-Macher haben sich bewusst für eine Paartherapie auf Papier
       entschieden: „Mit Print hat man ein anderes ästhetisches Element. Leute
       haben gerne etwas in der Hand, in das sie eintauchen können“, sagt
       Hauenstein. Aviv ist ein zartes Heft, ein bisschen größer als DIN A5.
       Eines, das man sich zu Gemüte führt, um sich dem Alltag zu entziehen.
       
       Man sieht Aviv auch den queeren Hintergrund seiner Autoren an – besonders
       deutlich an den Fotografien. Von der Münchner Agentur Herburg Weiland
       stammt das helle, strukturierte Layout, das durch eine serifenlosen Schrift
       auffällt, die bei der Länge der Texte gerade noch mitspielt. Die
       Erzählungen und Gedichte machen Lust, weiterzulesen, und sind manchmal fast
       zu kurz geraten, wie die Geschichte „Am Meisten“ von Etgar Keret, die nur
       eine Doppelseite umfasst. Doch es bleiben ja noch 15 weitere Beiträge, wie
       die teilfiktive Unterhaltung am Berliner Landwehrkanal. „Kondensstreifen im
       Luftraum der Geschichte“.
       
       16 Mar 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://avivmag.com/en/
   DIR [2] http://spitzmag.de/auf_deutsch
   DIR [3] https://block-magazin.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Natalie Mayroth
       
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