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       # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Aussterbende Art
       
       > Darmstadt 98 verweigert sich mit krasser Unprofessionalität der
       > arroganten Attitüde der Ersten Liga. Das kann nur zum Abstieg führen.
       
   IMG Bild: Darmstadts Peter Niemeyer im Schwitzkasten von Spielern des FC Augsburg
       
       Vor Biologismen sollte man sich als verantwortungsbewusster Sportjournalist
       natürlich hüten – keine Frage. Vom gemeinen Singvogel zu sprechen, sollte
       sich da also verbieten. Der wird ja – wie der notorisch Vögel beobachtende
       Jonathan Franzen in seinem neuen Roman ausnahmsweise mal nicht beklagt –
       von der gemeinen Hauskatze gemeinerweise millionenfach dahingerafft. Das
       ist gewiss bedauerlich, hat aber schließlich mit so etwas Trivialem wie
       Fußball nur wenig zu tun – ebenso wenig wie das ewig ungleiche Duell Löwe
       gegen Zwergantilope.
       
       Und dennoch kommt einem als Augenzeuge der Spiele von Darmstadt 98
       unweigerlich die Wendung vom „natürlichen Feind“ in den Sinn. Dass es sich
       dabei um den gleichen natürlichen Feind handelt, der schon andere
       Zwergvereine wie Freiburg, Fürth oder Paderborn vor deren Abstiegen in den
       vergangenen zwei Jahren gepeinigt hat, sei an dieser Stelle nur am Rande
       erwähnt. Darmstadt 98 ist am Samstag nun schon zum fünften Mal im sechsten
       Spiel hintereinander von einem Wesen in neongelbem Bauchkleid überaus übel
       mitgespielt worden. Am Samstag pfiff ein solches einen Elfmeter für die
       Gegner vom FC Augsburg. Das war an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Oder
       doch?
       
       Dass Bayernspieler Rafinha nach seinem zweifachen Ellenbogencheck gegen
       Sandro Wagner nur die Gelbe Karte sah, war tatsächlich noch lächerlicher.
       Der Leidtragende war auch in diesem Fall: Darmstadt 98.
       
       Wobei Darmstadt sich von Zwergantilope, Amsel, Drossel, Fink und Star in
       einem entscheidenden Punkt unterscheidet. Der Verein kann weder wegfliegen
       noch sich gut getarnt ins Unterholz verkriechen. Von Tarnung ist da keine
       Spur. In der ersten Liga fällt der Verein deshalb auf wie ein bunter Hund.
       Das Stadion ist, nun ja, bekanntermaßen ein wenig in die Jahre gekommen,
       damit könnte man vielleicht noch leben, aber auch sonst passt dieser Verein
       einfach nicht in die Erste Liga.
       
       Die Ordner sind freundlich, nett und hilfsbereit – das wirkt schon mal
       verdammt unprofessionell.
       
       ## Vom Aussterben bedroht
       
       Auch den Spielern kann man diesen Vorwurf nicht ersparen. Anstatt 75.000
       Euro in großen Scheinen im Taxi liegen zu lassen, schlappen sie nach dem
       Spiel mit Duschbeutel zum Spielerparkplatz, der doch tatsächlich Teil des
       ganz normalen Parkplatzes ist, und führen noch ein paar Zweikämpfe mit den
       Selfie-Jägern, die dort auf sie lauern. Auch das: vollkommen
       unprofessionell!
       
       Es sind natürlich die gleichen Spieler, die nach dem Schlusspfiff einfach
       stehen bleiben und die Fragen der Reporter beantworten. So etwas kommt
       davon, wenn man den Grundkurs in Schnöseligkeit und schlechtem Benehmen
       nicht bestanden hat und denkt, man darf dann trotzdem ein bisschen mittun
       in der Ersten Liga.
       
       Auch der Präsident sollte sein Verhalten dringend überdenken. Einfach so
       nach dem Spiel mit einem Becher Bier in der Hand mit ein paar Fans über das
       Spiel zu reden, geht ja nun wirklich überhaupt nicht. Zumindest dann nicht,
       wenn weit und breit kein Fotograf in der Nähe ist, der bereitsteht, um die
       rührende, lange vorher mit der Presseabteilung abgesprochene Geschichte zu
       bebildern, auf dass alle Welt weiß, wie bodenständig der Vereinschef doch
       ist.
       
       Schon Freund Charles Darwin hat es gewusst: Wer sich so wenig anpassen
       kann, der stirbt eben aus.
       
       14 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Ruf
       
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